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Michael Frieser
CSU
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Frage von Christian R. •

Frage an Michael Frieser von Christian R. bezüglich Menschenrechte

Zu den Corona-Maßnahmen habe ich einige dringende Fragen.

1. Es gibt einen Risikobericht des Bundes von 2012, in welchem ziemlich exakt die aktuelle Krise beschrieben wird, sogar mit Corona-Viren.
Frage: Was wurde seither unternommen? Wieso wurde weiterhin versucht, das Gesundheitswesen profitabel zu machen (Feuerwehr und Polizei müssen schließlich auch keinen Profit erwirtschaften) und wieso wurden nicht ausreichend Schutzausrüstungen in den vergangenen Jahren angeschafft und vorgehalten?

2. Das RKI scheint derzeit die Politik zu bestimmen.
Frage: Werden neben dem RKI auch andere Experten zu Rate gezogen? Man hat zumindest nicht den Eindruck, wenn ja, welche anderen Experten werden gehört?
Der Chef des RKI, Prof. Wieler, hatte sich immerhin zu Beginn der Krise eine krasse Fehleinschätzung geleistet. Am 22. Januar sagte er in der Tagesschau, dass nur wenige Menschen von anderen Menschen angesteckt werden können“ sowie am gleichen Tag auf 3Sat: : „Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich das Virus nicht sehr stark auf der Welt ausbreitet.“ (Quelle: https://www.merkur.de/welt/corona-rki-robert-koch-institut-hopkins-zahlen-infektionen-statistik-kritik-wieler-deutschland-zr-13602916.html) Auch jetzt arbeitet es mit Zahlen, die nicht valide sind. Es rät von einer Obduktion der Verstorbenen ab. (Quelle: https://meta.tagesschau.de/id/145479/rki-chef-wieler-zum-coronavirus-die-massnahmen-wirken)-
Wir wissen also nicht, wieviele Menschen tatsächlich dem Corona-Virus zum Opfer fallen.
Was fehlt ist eine Baseline oder Querschnittsstudie. Wieso wird diese nicht mit Nachdruck verfolgt? Denn nur auf Basis solcher Daten kann man die richtigen Entscheidungen treffen.

3. Die Politik kommuniziert nicht ausreichend und begründet ihre Entscheidungen nicht überzeugend.
Frage: Welche Experten werden gehört, welche Vorschläge gibt es und wieso entscheidet man sich für die getroffenen Maßnahmen und für andere nicht?
Wir sind eine Demokratie und da müssen Bürger umfassend informiert werden, erst recht bei solch einschneidenden Beschränkungen unserer Grundrechte.

4. Auch die jetzigen Maßnahmen haben Opfer, wirtschaftliche aber auch medizinische. Ja, es gibt Erkrankte und Tote durch die jetzt bestehenden Maßnahmen.
Frage: Sind die Kollaterlopfer der getroffenen Maßnahmen im Blick?
Frage: Werden diese Opfer evaluiert?
Frage: Um wieviel Prozent haben die Suizide seit der Anordnung der Ausgangsbeschränkung zugenommen, um wieviel Prozent die Todesrate, abzüglich Corona-Fälle? Wie sehr hat die Gewalt zugenommen? Sind die Daten bekannt, wenn nein, wieso werden sie nicht eruiert?
Nicht wenige Mediziner und Psychologen warnen, diese können rasch die Zahl der Corona-Toten übersteigen. Wird das ausreichend abgewogen und auch gemessen?

5. Ein Plan, eine Strategie ist derzeit nicht erkennbar. Eine Strategie benötigt nicht nur einen Zweck, sondern ganz konkrete Ziele, die vor allem realistisch erreichbar und meßbar/überprüfbar sein müssen. Vor allem ist dann auch zu überprüfen, ob die eingesetzten Mittel, dienlich sind, um das gesetzte Ziel zu erreichen.
Frage: Welche Strategie wird derzeit verfolgt?
Ich lasse mir eingehen, daß in einem ersten Schritt Notfallmaßnahmen getroffen werden. Dann aber muß eine Strategie entwickelt und kommuniziert werden. Dazu gehört auch eine Exit-Strategie, wie sie Ministerpräsident Laschet als einziger zur Recht anmahnt. Er wird aber ständig niedergebügelt mit dem Hinweis, nun sei nicht der Zeitpunkt für einen Exit. Dabei fordert er gar keinen Zeitpunkt, sondern einen Plan hierfür.

6. Unsere Grundordnung ist innerhalb dieser Krise diversen Übergriffen ausgesetzt.
Frage: Wie ist der vorerst gescheitere Versuch von Jens Spahn zu bewerten, selbst den Gesundheitsnotstand, ohne Einbeziehung des Parlaments, ausrufen zu können und dann quasi Gesetzgebungsbefugnis zu erhalten? Ist dies nicht ein Angriff auf unsere Gewaltenteilung?
Frage: Federstreichartig wurde mit der Neufassung des Infektionssschutzgesetzes der Föderalismus in diesem Bereich ausgehebelt, ist dies ein Verstoß gegen Artikel 20,1 GG?
Frage: Sind Grundrechtseinschränkungen, noch dazu auf unbestimmte Zeit und derart umfassend, allein auf dem Wege von Verordnungen und Allgemeinverfügungen verfassungsrechtlich haltbar? Verstößt dies nicht gegen den Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt? Ex-BverfG-Präsident Papier beispielsweise warnt eindringlich vor der aktuellen Situation.
Da wir in einer Demokratie und keiner Diktatur leben, sind all diese Schritte ausführlich und einleuchtend zu kommunizieren. Dies dürfen wir von Regierung und unseren Abgeordneten, die stellvertretend für uns die Staatsgewalt ausüben, erwarten.

Vorab vielen Dank für die Beantwortung dieser Fragen.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Rechholz

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Rechholz,

gerne will ich auf Ihre Fragen eingehen.
Zunächst gilt es festzuhalten, dass Deutschland gerade in Relation zu anderen Staaten gut gerüstet ist für den Umgang mit dem Virus. Das gilt etwa für die Testkapazitäten, für die Zahl der Intensivbetten und die Fähigkeit, die Kapazitäten schnell hochzufahren.

Richtig ist, dass kein Land dieser Erde zum Beispiel in Bezug auf einen ausreichenden Bestand an Schutzausrüstung auf einen so hochansteckenden Virus vorbereitet war. Gerne zitiere ich hierzu den Erlanger Virologen Bernhard Fleckenstein: „Jetzt Vorwürfe zu erheben, man hätte sich besser vorbereiten können, finde ich besserwisserisch. Wir können uns nicht auf alle theoretisch denkbaren Risiken mit großem Aufwand vorbereiten. Das ist kaum möglich und unbezahlbar.“ Deutschland wird die richtigen Schlüsse aus der aktuellen Krise ziehen und zum Beispiel die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten im Zusammenhang mit medizinischer Schutzausrüstung überdenken.

Dem Robert Koch-Institut kommt als zentrale Forschungs- und Referenzeinrichtung des Bundesministeriums für Gesundheit in der derzeitigen Situation eine wichtige Rolle zu. Nichtsdestotrotz werden Bundes- sowie die Landesregierungen von weiteren ausgewiesenen Fachleuten u.a. von der Charité, der Universität Bonn oder der TU München beraten. Der Großteil der Wissenschaftler hat die Wucht des neuartigen Corona-Virus nicht vorhergesehen und arbeitet mit Hochdruck daran, seine Eigenschaften besser zu verstehen. Aus dieser anfänglichen Fehleinschätzung einen Vorwurf zu konstruieren, ist m.E. deplatziert. Ich finde es stattdessen vertrauenserweckend, dass Wissenschaftler ganz offen eingestehen, auf bestimmte Fragen noch keine Antworten geben zu können oder sie ihre Einschätzungen manchmal revidieren müssen.

Ein Ansatzpunkt, den Virus besser zu verstehen, sind etwa die Kohortenstudien in München und Heinsberg, die innerhalb kürzester Zeit auf den Weg gebracht wurden.

Ihre Einschätzung, wonach Regierung und wir als Parlamentarier unsere Entscheidungen nicht ausreichend gut kommunizieren, teile ich so nicht. Neben nahezu täglichen Pressekonferenzen der entsprechenden Stellen nutzen Politik und Wissenschaft auch die direkte Kommunikation über Social Media, um ihr Vorgehen zu begründen und Falschbehauptungen oder Verschwörungstheorien entgegenzutreten. Darüber hinaus stehen ich und meine Kollegen täglich in Austausch mit unzähligen Betroffenen aus Gesellschaft, Medizin und Wirtschaft, welche im Zusammenhang mit der Corona-Krise vor existentiellen Herausforderungen stehen.

Die Erfahrungen der Mediziner und Wissenschaftler u.a. in China, Italien und Spanien haben uns mit Schrecken vor Augen geführt, dass unser Sozialverhalten gerade in den ersten Tagen und Wochen der Ausbreitung entscheidend dafür ist, wie gut das Gesundheitssystem auf die Folgen des Virus reagieren kann. Die verhängten Ausgangsbeschränkungen sind Ergebnis der Beobachtung, dass vorangegangene Appelle, soziale Kontakte einzuschränken, nicht in der erhofften Weise Wirkung gezeigt hatten.

Das konkrete Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Ausbreitung des Virus substantiell zu verlangsamen, um Zeit zu gewinnen für die Aktivierung weiterer medizinischer Ressourcen und die Handlungsfähigkeit des Gesundheitssystem im Allgemeinen zu erhalten. In allerersten Zügen deutet sich an, dass die Maßnahmen den erhofften Effekt auf die Neuinfektionen haben. Jetzt geht es darum, intelligente Wege zu finden, den Lockdown als akute Notmaßnahme durch eine Vielzahl gezielter und wirkungsvoller Eindämmungsstrategien abzulösen. Die Stichworte hierzu (Schutz von Risikogruppen, Mund-Nasen-Schutz, Ausweitung von Testkapazitäten und Nachverfolgung von Infektionsketten) kennen Sie.

Die „Corona-Krise“ umfasst nicht nur die Auswirkungen von Covid-19 selbst, sondern selbstverständlich auch die negativen Auswirkungen des Lockdowns. Regierung und Parlament handeln in diesem Sinne ganzheitlich und tun alles, um die Folgen abzufedern. Dass es im Zuge des „Social Distancings“ zu einer Verschärfung sozialer Konflikte oder auch psychologischer Probleme kommt, ist naheliegend. In der Tat verzeichnen entsprechende Beratungsstellen in den vergangenen Wochen einen spürbaren Anstieg. Das Bundesfamilienministerium hat daher zum Beispiel entsprechende Beratungsangebote gestärkt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der GK haben beschlossen, Begrenzungen für die psychotherapeutische Behandlung per Telefon weitestgehend aufzuheben.

Um einen systematischen Anstieg dieser Folgen mittel- und langfristig zu verhindern, war und ist es zudem von zentraler Bedeutung, die wirtschaftliche Substanz und damit unzählige Arbeitsplätze zu bewahren. Bundesregierung und Bundestag haben daher nicht gezögert, zahlreiche Erleichterungen und Hilfspakete für Unternehmen und Privatpersonen auf den Weg zu bringen.

Mit Blick auf die Todeszahlen in den Ländern bzw. Regionen, in denen sich Covid-19 weitestgehend unkontrolliert ausbreiten konnte, kann ich es zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehen, etwaige Opfer durch die Maßnahmen in Deutschland dazu in Relation zu setzen.

In der Tat sind die derzeitigen Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bunderepublik einmalig. Die Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen individueller Rechte des Einzelnen zugunsten des Allgemeinwohls bemisst sich daran, ob die verhängten Maßnahmen erforderlich, geeignet und zumutbar sind. Aus den oben geschilderten Gründen halte ich die Verhältnismäßigkeit in der derzeitigen Lage für gegeben. Entscheidend für die Zumutbarkeit der Maßnahmen ist selbstverständlich ihre zeitliche Befristung. Seien Sie versichert, dass ich als Vertreter der Legislative sehr wohl genau beobachte und bewerte, inwieweit rechtsstaatliche Kompetenzen der Exekutive in dieser sehr schwierigen Zeit ausgereizt werden müssen. Sofern die Kompetenzen überschritten werden, besteht freilich sofortiger Handlungsbedarf, um die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates zu bewahren.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Frieser

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