Warum wird das Lieferkettengesetz nicht digital neu gedacht?
Sehr geehrter Herr Miersch,
ich wohne in Dänemark. Ich habe aus der Ferne leider manchmal das Gefühl, dass ich Deutschland nicht verstehe. Hier ist alles, wirklich alles, komplett digital. Und hier gelten die allerhöchsten Datenschutzanforderungen. Ich kann nachvollziehen, dass sich Unternehmen über das Lieferkettengesetz beschweren. Denn in Deutschland hat man es mal wieder über Aktenordner, Aufbewahrungsfristen, Dokumentationspflichten usw. usf. gelöst. Kein Wunder, dass Merz das Gesetz einstampfen will. Aber das kann nicht die Lösung sein! Wir brauchen Menschenrechte und Umweltschutz in der Lieferkette. Warum keine zentralisierte und einmalige Datenhaltung? Ein System für alle Unternehmen statt Papierformulare? Das würde Mehraufwand verhindern. Leider denkt man in Deutschland nichts digital. Warum denkt die Regierung nicht so? Welche konkreten Ideen hat die SPD, um das Lieferkettengesetz und CSDDD als digitales Projekt zu retten?
Mit freundlichen Gruessen
Andreas W.

Sehr geehrter Herr W.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zum Lieferkettengesetz und zur digitalen Umsetzung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten, auf das ich nachfolgend gerne eingehe.
Ich teile Ihre Einschätzung zum Zusammenspiel von Bürokratieabbau und Menschenrechten: Auch wir sind überzeugt, dass Bürokratieabbau und Digitalisierung zentrale Voraussetzungen sind, um ambitionierte Regeln gerade für mittelständische Unternehmen praktikabel zu machen. Deshalb ist es richtig, die bisherige nationale Umsetzung (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - LkSG) neu zu gestalten.
Bereits die letzte Bundesregierung hat mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV einen wichtigen Schritt in diese Richtung unternommen. Erfolge dieses Gesetzes sind unter anderem die Modernisierung der Bekanntgabe von Steuerbescheiden sowie weiterer Steuerverwaltungsakte, die die Finanzverwaltung um rund 116 Millionen Briefe, 6,2 Milliarden Blatt Papier und rund 116 Millionen Euro pro Jahr entlastet. Auch für viele Bürgerinnen und Bürger ist es inzwischen einfach angenehmer, den Steuerbescheid in digitaler Form zu erhalten. Hinzu kommt die Verkürzung der Aufbewahrungspflichten für Buchungsbelege für Unternehmen von 10 auf 8 Jahre, was ein Entlastungsvolumen von ca. 600 Millionen Euro pro Jahr ermöglicht hat.
Die neue Bundesregierung wird hieran anknüpfen und die Anstrengungen intensivieren. Im Koalitionsvertrag wurde bereits ein Sofortprogramm zum Bürokratieabbau vereinbart. Dazu gehört auch die Ersetzung des LkSG durch ein neues Gesetz zur internationalen Unternehmensverantwortung, dass die EU-Richtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzen soll. Auf diese Weise wollen wir die grundlegenden Ziele des Lieferkettengesetzes, insbesondere Menschenrechte, Arbeitsnormen und Klimaschutz, die mir ebenso am Herzen liegen wie Ihnen, bestmöglich aufrechterhalten und gleichzeitig den damit verbundenen bürokratischen Aufwand reduzieren. In diesem Zusammenhang sind ihre Anregungen sehr wertvoll.
Darüber hinaus enthält der Koalitionsvertrag deutliche Signale für einen grundlegenden digitalen Kulturwandel in der Verwaltung. Neben der Schaffung eines eigenen Digitalisierungsministeriums, das die neue Bedeutung des Themas unterstreicht, steht insbesondere das „Once-Only“-Prinzip - also die Verpflichtung von Unternehmen, Daten gegenüber dem Staat nur einmal anzugeben - im Fokus und soll gesetzlich verankert werden. Damit verbunden ist der Aufbau zentraler digitaler Plattformen, etwa durch ein „One-Stop-Shop“-System für Verwaltungsleistungen und die Einführung einer verpflichtenden digitalen Unternehmensidentität. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Entbürokratisierung des Datenschutzes.
Sehr geehrter Herr W., ich hoffe ich konnte Ihnen abschließend mit meinem Schreiben und meiner Rückmeldung helfen. Sicherlich haben wir bei der Digitalisierung noch einen Weg vor uns. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass die Bereitschaft und Entschlossenheit zur Beschleunigung der Digitalisierung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zwischenzeitlich deutlich gestiegen ist und wir in den kommenden vier Jahren hier einen deutlichen Schritt nach vorne erreichen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Miersch