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Matthias Miersch
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Frage von Karl-Heinz L. •

Frage an Matthias Miersch von Karl-Heinz L. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Miersch,

in verschiedenen hier veröffentlichten Beiträgen zum Thema Renten und Pensionen haben Sie sich für eine Bürgerversicherung ausgesprochen. Ich nehme an, dass das Ihre persönliche Meinung ist, oder ist das Konsens innerhalb Ihrer Partei?

Sie weisen u.a. auch auf verschiedene Modelle hin, die zur Zeit in Ihrer Partei diskutiert werden.

Was ich vermisse, und zwar bei der SPD und auch bei den anderen Parteien sowie in den Medien, ist eine öffentliche Debatte über die versicherungsfremden Leistungen, die nicht nur der Rentenversicherung sondern allen gesetzlichen Sozialversicherungen übergestülpt worden sind. Sie wissen, dass seit Jahrzehnten auf diese Weise jährlich viele Mrd. Euro den Sozialversicherungen entzogen werden, da die Bundeszuschüsse (mit denen die Politiker so gerne ihre soziale Einstellung verkaufen wollen) in der Realität viel geringer sind als die Entnahmen. Allein im Jahr 2005 betrug der Fehlbetrag 65 Mrd. Euro. Davon entfielen auf die DRV 16,6 Mrd. Euro. (Nachzulesen in der Bundesdrucksache 16/65 von Nov. 2005 ab Seite 330) Dieser gigantische finanzielle Aderlass der Sozialversicherungen mußte zwangsläufig zu signifikanten Leistungskürzungen führen und ist m.E. der Hauptgrund für die jetzt sichtbar werdende Misere. Der von Ihnen angeführte demografische Wandel ist meines Erachtens nur ein Totschlagsargument der Politiker.

Bevor man nun nach neuen Wegen sucht, wäre es doch ein Zeichen der sozialen Gerechtigkeit, wenn Sie und Ihre Partei in einem ersten Schritt dafür eintreten würden, dass die den Beitragszahlern entwendeten Mrd. Euro an diese zurückgegeben werden. Dann könnte sofort eine erhebliche Leistungsverbesserung für die Betroffenen finanziert werden.

Wer ernsthaft in diesem Land über soziale Gerechtigkeit reden will, kommt an dem Thema versicherungsfremde Leistungen nicht vorbei.

Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Lottmann

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Sehr geehrter Herr Lottmann,

das Konzept einer Bürgerversicherung/einer Erwerbstätigenversicherung ist Beschlusslage der SPD seit vielen Jahren. Langfristiges Ziel ist der Einbezug tatsächlich aller Erwerbstätigen, was selbstverständlich mit einer Reihe rechtlicher und besonders politischer Hürden verbunden ist. Nahziel ist zunächst einmal die Erfassung derjenigen Selbstständigen, die momentan in kein Rentensystem einzahlen.

Die Diskussion um die sogenannten "versicherungsfremden Leistungen" wurde in den vergangenen Jahren kontinuierlich geführt. Die Komplexität des Themas führte und führt jedoch dazu, dass eine benötigte Trennschärfe zwischen diesen nicht beitragsgedeckten Leistungen und den Versicherungsleistungen im engeren Sinne kaum vorzunehmen ist. Letztmalig hat es den Versuch dieser Aufschlüsselung durch die Bundesregierung im Jahr 2004 gegeben. Einen empirischen Beleg dafür, dass das Rentensystem durch fremde Leistungen über Gebühr strapaziert wird, gibt es nach Aussage unserer Experten ebenfalls nicht.

Darüber hinaus ist der Begriff selbst unscharf. Beispielsweise ist aufgrund der Einkommensanrechnung die Hinterbliebenrente keine reine Versicherungsleistung, da sie mit Elementen der Bedürftigkeit versehen ist. Konservative und Liberale versuchen, mit dem Begriff "versicherungsfremde Leistungen" diese Elemente eines sozialen Ausgleichs zu diskreditieren, die jedoch ja essentiell für eine Sozialversicherung sind.

Viele nicht beitragsgedeckte Leistungen wie die Kriegsfolgelasten, aber auch die Berücksichtigung der Zeiten der Arbeitslosigkeit, werden allerdings in den kommenden Jahren zurückgehen.

Im Wesentlichen sollte der Bundeszuschuss generell aber schlicht als Garantieleistung für ein System gesehen werden, aus dem die meisten Menschen in unserem Land ihre Alterssicherung erhalten. Daran werden wir hoffentlich in Ihrem Sinn weiter arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Matthias Miersch MdB

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