Martin Schirdewan
Martin Schirdewan
DIE LINKE
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Frage von wolfgang h. •

Frage an Martin Schirdewan von wolfgang h. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Martin Schirdewan,

ich habe die Frage in der Kategorie "Internationales" eingestellt.
Sie könnte aber auch in viele andere Kategorien eingestellt werden, da die Auswirkungen viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens betreffen werden.

Am 29. Mai finden die nächsten EU-Wahlen statt.

Die Frage: Mich würde jetzt schon Ihre Haltung zu JEFTA interessieren.

Falls Sie Informationsbedarf zu JEFTA haben, habe ich zwei DIN A4 Seiten einer Studie zum Thema beigelegt:
https://blog.campact.de/wp-content/uploads/2018/10/Zusammenfassung-Studie-JEFTA.pdf

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Harr

Martin Schirdewan
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Harr,

vielen Dank für Ihre Frage. Seit 2013 wurde das Economic Partnership Agreement (EPA), als Japan-EU Free Trade Agreement (JEFTA) bekannt, verhandelt und im Juli 2018 von dem Präsidenten der Kommission Jean-Claude Juncker, dem Ratspräsidenten Donald Tusk und dem Regierungschef Japans Shinzo Abe unterzeichnet. Im Dezember dieses Jahres haben die neoliberalen Kräfte des Europaparlaments, die leider die Mehrheit bilden, diesem zugestimmt, sodass es 2019 in Kraft treten wird. Wir, als die linke Fraktion im Europaparlament GUE/NGL sowie die Delegation der LINKEN im Europaparlament haben uns klar gegen JEFTA positioniert, wie wir es auch schon bei den anderen Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TISA getan haben.

Meine Kollegen und ich geben Ihnen Recht mit der Aussage, dass durch das Inkrafttreten JEFTA´s viele Bereiche unseres öffentlichen und privaten Lebens hinweg betroffen sein werden: Das Freihandelsabkommen zwischen Japan und der EU ist an Bedeutung kaum zu unterschätzen. An der Wirtschaftskraft gemessen könnte durch JEFTA die größte Freihandelszone der Welt entstehen. 30 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und 40 Prozent des globalen Handels, sowie darüber hinaus 600 Millionen Menschen fallen unter das Abkommen.

JEFTA ist das erste von der EU verhandelte Freihandelsabkommen, das als sogenanntes EU-Only Abkommen ohne die Ratifizierung der nationalen Parlamente auskommt. Damit wurde den Parlamenten in Europa und Japans regulatorische Kontrolle entzogen und eine Wirtschaftspartnerschaft etabliert, die weit über Handelsaspekte hinausgehen. Auf diese Weise wird die Handelspolitik der EU entdemokratisiert. Das Abkommen wurde als Antwort auf Trumps Handelspolitik und dem Rückzug der USA aus dem Transpazifischen Handelsabkommen (TPP) ausgehandelt. Dabei wurde die Fehler aus TTIP und CETA, den Abkommen mit der USA und Kanada, wiederholt, wie beispielsweise das intransparente Vorgehen bei den Verhandlungen für JEFTA. Auch werden in diesem Freihandelsabkommen wieder keine Umwelt-, Arbeits- und Sozialstandards berücksichtigt. Die EU akzeptiert durch das Abkommen den Walfang und die weitere Überfischung bis hin zum Aussterben des roten Thunfischs. Ebenso kann durch JEFTA der Handel mit illegal geschlagenem Holz gefördert werden. Denn durch eine Hintertür, kann das in Japan erlaubte Tropenholz nach Europa gelangen.

Des Weiteren stehen die europäischen Arbeitsstandards durch JEFTA in Gefahr. Japan hat zwei der Arbeitskonventionen der ILO - zur Zwangsarbeit und Diskriminierung- nicht ratifiziert. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass im Japanischen einen Begriff für „Tod durch Arbeit“ („karoshi“) existiert. Außerdem drohen unter dem Deckmantel des freien Handels die Absenkung von Verbraucherschutzstandards und zusätzlicher Privatisierungsdruck bei der öffentlichen Daseinsvorsorge. Der nun ausgehandelte Gleichwertigkeitsbeschluss zu Datenschutz und Datenhandel könnte für europäische Verbraucher*Innen geringeren Datenschutz mit sich bringen. Nicht zuletzt birgt JEFTA auch erhebliche Gefahren für die kommunale Wasserwirtschaft. In keinem anderen Abkommen hat die EU der Kommerzialisierung der Wasserwirtschaft Tür und Tor derart weit geöffnet. Auf der anderen Seite wird Japan auch überflutet mit den billigen europäischen Agrarprodukten, die für die traditionellen japanischen Bauern eine Gefahr darstellen.
Unser Ziel sollte es daher eher sein, Trumps Politik des Handelskrieges einen gerechten Welthandel entgegenzusetzen und keine weitere Liberalisierungsagenda auf Kosten der Bevölkerung und ihrer berechtigten Schutzinteressen zu beschließen.

Unsere Fraktion hat eine Studie erstellt, die die Auswirkungen auf Finanzdienstleistungen, Umwelt- und Regulierungsfragen sowie auf den Datenschutz analysiert: http://www.guengl.eu/uploads/publications-documents/JEFTA_report_final_--.pdf

Mit freundlichen Grüßen,
Martin Schirdewan

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