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Frage von Wolfgang A. •

Frage an Martin Burkert von Wolfgang A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Burkert,
in einer Frage zu TTIP und CETA von Fr. Glöckle vom Dez. 2013 haben Sie mit Hinweis auf verschiedene Links den Eindruck erweckt, als wäre die SPD zwar für TTIP aber gegen ein Investitionsschiedsgericht. Zumindest wird der Eindruck erweckt, da es heißt, Herr Tiefensee und Herr Hempelmann hätten die EU-Kommission aufgefordert, das Schiedsgerichtsverfahren aus dem Verhandlungsmandat herauszunehmen. CETA ist verhandelt, mit Schiedsgerichtsverfahren (offensichtlich nicht weiter verhandelbar), in TTIP ist es wohl immer noch enthalten und unser Wirtschaftsminister Gabriel ist mal dafür und mal dagegen. Nun nehme ich auch noch erstaunt zur Kenntnis, dass Sie einen Antrag der Grünen auf Ablehnung des Schiedsgerichtsverfahren abgelehnt haben. Zusammen mit der gesamten SPD.
Können Sie mir Ihr Verhalten bzw. das der SPD und das daraus entstehende Misstrauen gegenüber der SPD erklären? Denn auch bei genmanipulierten Pflanzen habe ich ein ähnliches Verhalten festgestellt. In der Öffentlichkeit war man entrüstet und auf Verbraucherschutz eingeschworen, bei dem Antrag der Grünen war man plötzlich gegen den Antrag der Grünen, mit dem Ergebnis, dass Monsanto nun in Europa das Sagen haben wird und Minister Schmidt die Position für Deutschland noch dahingegen schwächen will, dass er das Problem scheinbar auf Länderebene geregelt haben möchte und nicht auf Bundesebene? Die Bevölkerung, von der Sie doch gewählt wurden, hat Bauchgrimmen bei TTIP und Gengetreide, aber das scheint einen Abgeordneten, der in der Regierung sitzt, nicht weiter zu stören. Es passieren dummerweise immer die Dinge, die man sich eigentlich nicht wünscht. Welche objektiven Gründe gab es für Sie, außer das ein vernünftiger Vorschlag nicht von Ihnen, sondern von der falschen Partei kam, abzulehnen? Wie können Sie, und wollen Sie überhaupt, Schiedsgerichte, wie sie angeblich Gang und Gäbe sind, verhindern?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Albrecht,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema „Freihandelsabkommen“. Als SPD haben wir bereits mit Beschluss des Parteikonvents vom 20. September 2014 (liegt diesem Schreiben bei) explizite Mindestanforderungen für Verhandlungen eines Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) benannt. Die geäußerten Bedenken der Bevölkerung nehmen wir in diesem Zusammenhang sehr ernst.

Freihandelsabkommen eröffnen zwar grundsätzlich die Chance, bilaterale Handelsbeziehungen zu intensivieren und dabei fair und nachhaltig zu gestalten. Doch bei allen ökonomischen Überlegungen ist für uns Sozialdemokarten eines ganz klar: Es darf kein Wirtschaftswachstum um jeden Preis geben. Bestehende Standards z.B. zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Umwelt müssen abgesichert werden. Deshalb hat die SPD eine Reihe von Bedingungen formuliert, welche explizite Voraussetzungen für eine Zustimmung sind. Für die SPD zählt dazu unter anderem:

• Die Garantie eines hohes Umwelt- und Verbraucherschutzniveau. Es darf keine Anpassung und Anerkennung von Standards auf dem niedrigeren Niveau erfolgen. In Bezug auf die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen, wie u.a. Genmais, müssen die bestehenden strengen EU-Rechtsvorschriften erhalten bleiben. Die TTIP-Verhandlungen dürfen nicht dazu führen, dass die EU ihre Anforderungen an die Zulassung und die Kennzeichnungspflichten für Lebens-, Futtermittel oder Saatgut, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, ändert.
• Die Einhaltung und Gewährleistung von Arbeits- und Sozialstandards. In keinem Fall dürfen das Recht auf Mitbestimmung, der Betriebsverfassung oder der Tarifautonomie geschwächt werden.
• Die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge innerhalb der EU muss gewahrt werden. Selbstverständlich muss es auch weiterhin kommunale Krankenhäuser, Wasserwerke und Stadtwerke geben.
• Den nationalen, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften muss ein umfassender Gestaltungsspielraum garantiert werden.

Außerdem bekräftigen wir als SPD unsere Forderung nach einem Maximum an Transparenz. Die TTIP-Verhandlungen müssen unter Einbeziehung der Parlamente, Gewerkschaften, Sozialpartner und der Gesellschaft geführt werden.

Mein „Nein“ zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist sicherlich kein bedingungsloses „Ja“ zu Schiedsgerichten. Für mich sind Investitionsschutzvorgaben in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich und sollten nicht mit TTIP eingeführt werden. Investor-Staat-Schiedsverfahren halte ich zwischen entwickelten Rechtssystemen für grundsätzlich entbehrlich. Das hat die SPD auch in ihren Anforderungen an Freihandelsgespräche deutlich formuliert.

Bundesminister Sigmar Gabriel hat diesbezüglich mehrmals bekräftigt, die von SPD und Gewerkschaften gemeinsam ausgearbeiteten Bedingungen (liegen diesem Schreiben bei) durchzusetzen. Erst vor kurzen legte der Bundeswirtschaftsminister ein Konzept für einen Handelsgerichtshof vor. Dabei geht es vor allem darum, die bisher privatwirtschaftlich geplanten Schiedsgerichte zu öffentlich-rechtlichen Institutionen umzuformen – mit Berufsrichtern, transparenten Verfahren und Berufungsinstanzen.

Anfang Juli 2015 hat das Europäische Parlament nun eine Resolution zu den laufenden TTIP-Verhandlungen verabschiedet, die ganz klar viele unserer Forderungen beinhaltet. Damit setzt das Europäische Parlament einen wichtigen Maßstab für eine gute sowie faire Ausgestaltung von TTIP und verankert zudem die Ablehnung von privaten Schiedsstellen. Die europäischen Sozialdemokraten konnten sich, unter Führung ihres Berichterstatters Bernd Lange, MEP, in entscheidenden Punkten durchsetzen. Besonders mit der klaren Absage an private Schiedsgerichte konnte somit ein zentraler Punkt erreicht werden, der demokratische und transparente Gerichtsverfahren mit unabhängigen Richtern und einer ordentlichen Revisionsinstanz formuliert. Ein weiterer Schwerpunkt war für die Sozialdemokraten, die Verankerung von starken Arbeitnehmerrechten sowie der unmissverständliche Schutz unserer öffentlichen Daseinsvorsorge und der kulturellen Vielfalt in der Resolution. Europäische Standards im Verbraucher-, Umwelt- und Datenschutz für uns zudem nicht verhandelbar.

Das Europäische Parlament hat sich mit dieser Resolution sehr eindeutig positioniert. Nur unter diesen Voraussetzungen wird es einem etwaigen TTIP-Verhandlungsergebnis zustimmen.

Sehr geehrter Herr Albrecht,

Innerhalb der SPD wird die gesamte Thematik auf allen Ebenen ausführlich und engagiert diskutiert. Es werden Kritiker gehört, Argumente für und gegen das Freihandelsabkommen abgewogen und in vielen öffentlichen Veranstaltungen die Meinungen und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger aufgenommen. Auf diese Weise wollen wir als Partei die Debatte nachhaltig und umfangreich begleiten, um so allen eine umfassende Einschätzung von Risiken und Chancen eines Freihandelsabkommens zu ermöglichen. In der SPD werden Diskussionen nicht weichgespült oder wegmoderiert, sondern öffentlich, fair und transparent geführt. Der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ist uns hierbei ganz besonders wichtig – jeder darf und soll sich einbringen. Die wichtigsten Ergebnisse dieses Prozesses sowie wichtige Fragestellungen sind unter http://www.spd.de/ttip dokumentiert.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat für das Thema „TTIP“ zudem eine eigene Arbeitsgruppe gegründet, mit der wir den Prozess als Bundestagsabgeordnete kritisch begleiten sowie Chancen und Risiken von Freihandelsabkommen beleuchten. Derzeit befinden wir uns noch in der Diskussionsphase, in der es sicherlich noch viele offene Punkte zu klären gilt. Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, dass die SPD schon früh klare rote Linien gezogen hat, die als Kompass für ein mögliches Freihandelsabkommen dienen.

Abschließend möchte ich Ihnen versichern, dass es mit der SPD nur ein Abkommen geben wird, das unseren Richtlinien entspricht.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Burkert