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Markus Ferber
CSU
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Frage von Thomas R. •

Warum wollten Sie ALLE Nachhaltigkeitsmaßnahmen aus der Überarbeitung von Solvabilität II streichen?

Sehr geehrter Herr Ferber,
als Volkswirt bin ich davon überzeigt, dass steuernde Elemente in marktwirtschaftlichen Sinne mit die besten Instrumente sind, um die gewünschten und notwendigen Zele im Klimaschutz zu erreichen. Wieso soll hier gebremst werden, wenn die Alternativen nur noch restriktivere Maßnahmen in der Zukunft sind.
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas R.

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Sehr geehrter Herr R.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.

Die Solvency II-Richtlinie, die den Aufsichtsrahmen für die Versicherungswirtschaft absteckt und die derzeit zur Überarbeitung ansteht, ist ein Instrument der Versicherungsaufsicht.

Umweltpolitische Ziele sollten durch umweltpolitische Maßnahmen umgesetzt werden (z.B. durch die Einrichtung eines Emissionshandelssystems, Emissionsnormen für Industrieanlagen, Abgasnormen für Autos etc.). In diesem Bereich ist die Europäische Union weltweit führend und hat sich sehr ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt. Im Bereich des Finanzaufsichtsrechts sollte es hingegen allein um Finanzstabilitätsaspekte gehen.

Wenn wir versuchen, mittels der Finanzmarktregulierung andere gesellschaftspolitische Ziele zu erreichen - auch wenn sie noch so löblich sein mögen - sind Zielkonflikte, die zulasten der Finanzstabilität gehen, vorprogrammiert. Einige der Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden (wie z.B. reduzierte Eigenkapitalanforderungen für grüne Investments) halte ich unter Finanzstabilitätsgesichtspunkten für brandgefährlich, denn sie blenden Risikoaspekte aus und werden damit fast zwangsläufig zu Fehlallokationen führen.

Mit Blick auf den Versicherungssektor müssen wir uns deshalb fragen, ob und inwiefern Klimarisiken systematisch unterschätzt werden und ob diese zu einem Risiko für individuelle Versicherer oder die Finanzstabilität insgesamt werden können. Dafür sehe ich keine Anhaltspunkte. Versicherungsunternehmen haben ein langfristig orientiertes Geschäftsmodell und deswegen starke Anreize, auch langfristige Risiken (etwa im Klimabereich) hinreichend präzise zu erfassen. Genau das ist nämlich die zentrale Herausforderung von Versicherern. Viele Versicherer und Rückversicherer haben in diesem Zusammenhang schon vor Jahren sehr präzise Modelle entwickelt, die auch Klimarisiken erfassen, und diese über die Jahre immer weiter verfeinert.

Die delegierte Verordnung 2021/1256 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in die Governance von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen erfasst bereits explizit Nachhaltigkeitsrisiken. Die Finanzaufsichtsbehörden berücksichtigen dies entsprechend auch bereits in ihrem Aufsichtshandeln. Ich sehe hier also eigentlich kein Regelungsdefizit.

Nichtsdestoweniger schaut sich die europäische Versicherungsaufsicht derzeit an, ob in diesem Zusammenhang noch weitere Maßnahmen angebracht wären (s. hier: https://www.eiopa.europa.eu/eiopa-outlines-approaches-assess-prudential-treatment-insurers-sustainable-assets-and-activities-2022-12-05_en). Den Ergebnissen dieser Analyse sollten wir nicht vorweggreifen.

Das war übrigens auch der wesentliche Vorschlag zur Nachhaltigkeit der Europäischen Kommission für die Solvency-II-Überarbeitung: ein Überprüfungsauftrag an die Europäische Versicherungsaufsicht. Diese Passage ist insofern überflüssig, als die Europäische Versicherungsaufsicht sich dieses Themas ohnehin schon angenommen hat.

Unabhängig von der Frage der Risikomodellierung und der Eigenkapitalunterlegung von Risiken ist die Frage von Berichts- und Offenlegungspflichten im Bereich Nachhaltigkeit zu sehen, die gegebenenfalls für Investoren oder Versicherungsnehmer interessant sein könnten. Hier bestehen bereits umfassende Berichts- und Offenlegungspflichten - nicht zuletzt durch die kürzlich verabschiedete Richtlinie über Nachhaltigkeitsberichterstattung. Darüberhinausgehend sehe ich kaum Bedarf für weitergehende Berichts- und Offenlegungspflichten.

Ich bin also nicht gegen Klimaschutz und die europäischen Klimaziele, aber ich habe ein Problem damit, wenn die europäische Finanzmarktregulierung instrumentalisiert werden soll, um sachfremde Ziele zu erreichen, die sich mit umweltpolitischen Instrumenten besser erreichen lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Markus Ferber, MdEP

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