Frage von Michael E. •

Sind Sie für eie Dokostätte für die Opfer der Roten Armee Fraktion und für eine Gedenkstätte zum Winklerbad Bad Enndorf um auch gegen rechte Mythen entgegenzuwirken

Portrait von Marja-Liisa Völlers
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr E.,

 

vielen Dank für Ihre Nachricht zur Errichtung einer Dokumentationsstätte für die Opfer der Roten Armee Fraktion und einer Gedenkstätte Wincklerbad Bad Nenndorf, um rechten Geschichtsmythen entgegenzuwirken. 

 

Gedenkstätten und Dokumentationen jeglicher Art sind ein gutes und wichtiges Mittel, um an schreckliche Taten und Kapitel unserer Geschichte und ihre Opfer zu erinnern. Ob Stolpersteine, Mahnmahle oder ganze Museen, sie alle leisten einen unersetzlichen Beitrag dazu, die Vergangenheit in unserem kulturellen Gedächtnis zu verankern und so Wiederholung zu verhindern. 

Das Erschaffen von Gedenkstätten ist nicht allein staatliche, sondern vor allem zivilgesellschaftliche Aufgabe und dezentral organisiert. Viele Gedenkorte in Deutschland entstanden und entstehen auf Initiative von Vereinen, Verbänden oder Gewerkschaften oder durch die Kommunen. Gerade kleinere Gedenkstätten oder Mahnorte befinden sich häufig in privater oder kommunaler Trägerschaft. 

Um Erinnerungsinitiative zu unterstützen, gibt es landeseigene Gedenkstättenstiftungen, wie beispielsweise die „Stiftung niedersächsische Gedenkstätten“, die Projekte durch Beratung, wissenschaftliche Dienste und Zuwendungen fördert. 

 

Die Verbrechen, die die Terroristinnen und Terroristen der Roten Armee Fraktion insgesamt und insbesondere im so genannten „Deutschen Herbst“ 1977 begangen haben, waren furchtbar und dürfen nicht vergessen werden. Bereits heute gibt es zahnreiche Mahnorte und Gedenktafeln, die an die Opfer der Roten Armee Fraktion erinnern. Häufig befinden sie sich direkt an oder in unmittelbarer Nähe der Tatorte. Zwei Beispiele möchte ich Ihnen gerne nennen. 

 

Die Gedenkstätte zur Entführung und späteren Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer im September 1977 befindet sich in Köln direkt gegenüber der Einmündung der Vincenz-Statz-Straße, in der die Entführung stattfand. Sie erinnert an Schleyer sowie seinen Fahrer und die drei als Personenschützer eingesetzten Polizisten, die bei der Entführung getötet wurden. 

Jürgen Schumann war der Flugkapitän der Lufthansa-Maschine „Landshut“, die am 13. Oktober 1977 von palästinensischen Terroristen, die mit der RAF verbündet waren, entführt wurde und wurde am 16. Oktober im Zuge dieser Entführung erschossen. An seinen Tod erinnert ein Gedenkstein in seinem letzten Wohnort Babenhausen. 

Nach ihnen und weiteren der über 30 Todesopfer der Roten Armee Fraktion sind außerdem Straßen, öffentliche Plätze, Gebäude und Ähnliches benannt. 

 

Auch Museen und Ausstellungen beschäftigen sich immer wieder mit der Roten Armee Fraktion und ihrer Geschichte. Die Dauerausstellung des „Haus der Geschichte“ in Bonn behandelt dieses Thema beispielsweise, aufgrund eines Umbaus ist sie derzeit jedoch leider geschlossen. Dennoch gibt es viele Angebote zu diesem Thema, beispielsweise über das Online-Portal „LeMO – Lebendiges Museum Online“ (Link: https://www.dhm.de/lemo/) und das Webportal „Landshut 77“ (Link: https://www.landshut77.de) des Deutschen Hauses für Geschichte. 

 

Darüber hinaus ist in Friedrichshafen der Lernort „Demokratieraum. Die „Landshut“ in Friedrichshafen“ in Aufbau. Dieser wird von der Bundeszentrale für politische Bildung konzipiert, die Ende 2020 vom Deutschen Bundestag damit beauftragt war, die „Landshut“ in einem Bildungskontext öffentlich zugängig zu machen. 

In einer ehemaligen Flugzeughalle direkt am Rollfeld in Friedrichshafen entsteht der „Demokratieraum“, in dessen Mittelpunkt die Maschine stehen wird. Seit Januar 2024 wird diese Halle umgebaut, im Oktober wurde das Flugzeug mit allen Einzelteilen an den Ausstellungsort gebracht. 

Rund um das Wrack sollen die Geschichte des Flugzeugs, der Deutschen Herbst, die Geschichte von und der Umgang mit Terrorismus aber auch das Thema wehrhafte Demokratie behandelt werden. Parallel dazu arbeitet die Bundeszentrale für politische Bildung an einem analogen und digitalen Bildungspaket zur Ausstellung, das unter anderem auch ein historisches Krisensimulationsspiel enthalten wird. 

Die Eröffnung des Lernortes „Demokratieraum. Die „Landshut“ in Friedrichshafen“ ist für 2026 geplant. 

 

In Bad Nenndorf ist die Situation, wie Sie sicherlich wissen, eine andere. Seit langem wird um die Deutung des Wincklerbads gerungen und immer wieder ranken sich rechte Mythen um das ehemalige britische Verhörzentrum. 

Mit ihrem großartigen Einsatz gelang es der Initiative „Bad Nenndorf ist bunt“ und vielen weiteren beteiligten Vereinen und Privatpersonen, die seit 2006 jährlich stattfindenden Aufmärsche von Rechtsextremen - die sie als „Trauermärsche für die Opfer des Verhörzentrums“ deklarierten - aus der Stadt zu vertreiben. Seit 2015 finden sie nicht mehr statt. 

Im selben Jahr wurde außerdem das Agnes-Miegel-Denkmal aus dem Bad Nenndorfer Kurpark entfernt, unter anderem weil Rechtsextreme immer wieder das Denkmal der Dichterin aufsuchten. Sie wird von Teilen der rechten Szene wegen ihrer Nähe zum Nationalsozialismus und ihrer Lobeshymnen auf Adolf Hitler geradezu verehrt. 

Ähnliches ist zu befürchten, wenn das Wincklerbad zu einer offiziellen Gedenkstätte würde. Dies war eine Zeit lang sogar ein wichtiges Anliegen der Rechtsextremen, die die Stadt damit unter Druck setzten, jedes Jahr wieder zu kommen, bis eine solche Gedenkstätte eingerichtet wird. Ihnen jetzt, 10 Jahre nach ihrer Vertreibung, einen solchen Erfolg einzuräumen, wäre ein fataler Fehler. 

Dennoch ist es wichtig, über die Geschichte des Wincklerbades aufzuklären, um zu verhindern, dass rechte und rechtsextreme Gruppierungen die Deutungshoheit gewinnen, die Geschichte für ihre Zwecke instrumentalisieren und daraus gefährliche Mythen erschaffen. Dazu wäre beispielsweise eine Thematisierung des Bades im Geschichtsunterricht der weiterführenden Schulen in Schaumburg sinnvoll.

 

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen. Bei Rückfragen oder mit weiteren Anliegen können Sie sich gerne an mich wenden. Dazu können Sie uns direkt unter marja.voellers@bundestag.de eine E-Mail schreiben oder auch einfach bei uns im Berliner Büro anrufen: 030 – 227  77570.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Marja-Liisa Völlers, MdB

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