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Manuela Rottmann
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Frage von Julia B. •

Frage an Manuela Rottmann von Julia B. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Rottmann,

ich schreibe Ihnen bezüglich der anstehenden Anpassung des Urheberrechts, und zwar spezifisch zur Umsetzung des in Artikel 17 europaweit vorgegebenen Schutzes von "Karikatur, Parodie und Pastiche". Zunächst einmal begrüße ich den Schutz transformativer Werke sehr, doch wie vielen bereitet mir als Mitglied der Kreativbranche und freiberufliche Künstlerin der in § 51a UrhG-E in Deutschland vorgesehene Zusatz zur EU-Richtlinie Sorgen:

Hier heißt es,
"Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten
Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch
den besonderen Zweck gerechtfertigt ist."

Wie im Falle künstlerischer Nutzung der "besondere Zweck" der Nutzung festzulegen sein sollte, ist mir nicht ersichtlich, und könnte zu jahrelanger Rechtsunsicherheit und -unklarheit führen. Ich muss mich in diesem Sinne der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. anschließen, die in ihrer Stellungnahme vom 16.03.2021 zur Anpassung des Urheberrechts ab S. 17 ausführlicher auf diese Problematik eingeht und eine Streichung des Zusatzes empfiehlt.

Wichtig erscheint mir außerdem, Karikatur, Parodie und Pastiche von der in Artikel 17 geforderten Vergütungspflicht auszunehmen, insbesondere dann, sollten sie suf nicht-kommerziellen Websites veröffentlicht werden. Andernfalls würde in der Realität für private und nicht-kommerzielle Anbieter die Gefahr drohen, ihre kreativen Nutzer an große kommerzielle Websites zu verlieren, die gemäß Artikel 17 bereits flächendeckend Zahlungen an Vergütungsgesellschaften leisten würden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Bedenken verständlich schildern und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Wie schätzen Sie die Chancen ein, beide Änderungen in den finalen Gesetzesentwurf zu übernehmen, bzw. könnten Sie sich vorstellen, für diese einzutreten?

Mit freundlichen Grüßen
Julia Brandes

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Sehr geehrte Frau Brandes,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Ich stimme mit Ihnen überein, dass Nutzungen innerhalb der sog. Pastiche-Schranke in § 51a UrhG-E nicht durch einen „besonderen Zweck“ gerechtfertigt werden müssen. Meine Fraktion hatte daher im Rechtsausschuss einen Änderungsantrag eingebracht, in dem wir die Streichung dieser Voraussetzung gefordert hatten. Dieses zusätzliche Kriterium lässt sich nämlich weder der europäischen InfoSoc-Richtlinie noch der DSM-Richtlinie selbst entnehmen. Es handelt sich um einen unbestimmten, unklaren Rechtsbegriff, der dem Bedürfnis des strukturell unterlegenen Nutzers nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei der Nutzung von typischen gesetzlich erlaubten Nutzungsarten entgegensteht. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben dann vernünftigerweise selbst den besonderen Zweck mit einem eigenen Änderungsantrag wieder weggestrichen, somit stellt sich dieses Problem nicht mehr.
Wir Grüne im Bundestag teilen ebenfalls Ihre Bewertung, dass die von Ihnen angesprochenen Nutzungen vergütungsfrei sein sollten. Wir halten eine Vergütung aus mehreren Gründen für sehr bedenklich: Die Stilmittel Parodie, Karikatur und Pastiche stellen wesentliche Bestandteile des zeitgenössischen digitalen kreativen Schaffens und der Kommunikation im Netz dar wie etwa beliebte Kulturtechniken und Ausdrucksmittel wie Remix, meme beispielsweise in Form von GIFs, die von privaten Nutzer*innen zu nicht-kommerziellen Zwecken auf Plattformen hochgeladen werden. Die Vergütungspflicht steht in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen Erschwernissen für alltägliches Nutzerverhalten, das in aller Regel die Verwertung auf den Primärmärkten nicht berührt. Gegen eine Vergütung einzelner Nutzungsarten spricht auch, dass Uploadfilter diese kontextsensiblen Inhalte nicht zuverlässig unterscheiden können. Folglich sind gesetzlich erlaubte Nutzungen nicht zu vergüten. Leider blieb es im beschlossenen Gesetzentwurf dabei, dass Stilmittel wie Pastiche, Parodien und Karikaturen zu vergüten sind. Allerdings müssen nicht die Nutzer*innen selbst für Nutzungen an die Verwertungsgesellschaft zahlen, sondern die Plattformen sind dazu verpflichtet. Sie müssen sich als Nutzerin also keine Sorgen darüber machen, wenn sie Inhalte hochladen, die von der Pastiche-Schranke in § 5 oder den mutmaßlich erlaubten Nutzungen in den §§ 9 bis 11 im neuen UrhDaG abgedeckt sind. Für diese Nutzungen kommen die Plattformen auf, nicht die Nutzer*innen selbst. Nicht-kommerzielle Plattformen wie Wikipedia sind überdies vom Anwendungsbereich des neuen UrhDaG in § 3 ausdrücklich ausgenommen. D.h. Wikipedia ist beispielsweise nicht verpflichtet, entsprechende Nutzungen im Internet zu vergüten.

Herzliche Grüße

Manuela Rottmann

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