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Mahmut Özdemir
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Frage von Uli B. •

Frage an Mahmut Özdemir von Uli B. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Özdemir!

Wie stehen Sie zu dem aktuell von einigen Parlamentariern geforderten Verbot der „Grauen Wölfe“?
Wäre dies nicht ein längst überfälliger Schritt - und zudem (nach dem Verbot in Frankreich) ein Zeichen der Solidarität mit unseren französischen Nachbarn?
Können Sie es angesichts der islamistischen Anschläge in Frankreich und in Wien befürworten, dass diese rechtsextremistische Gruppierung, die seit vielen Jahren in Deutschland aktiv ist, weiterhin tätig bleiben darf?
Bitte machen Sie sich stark für ein baldiges Verbot dieser demokratiefeindlichen Gruppierung!

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Uli Baldauf

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Baldauf,

haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Unmissverständlich möchte ich zu Beginn klarstellen, dass ich Haltungen, Meinungen und Handlungen jeglicher Vereine, die rassistische, antisemitische oder auch nationalistische Ideologien propagieren, auf das Schärfste verurteile.
Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass ich die Haltung der „Ülkücü-Bewegung“ alias „Graue Wölfe“ mit ihren antisemitischen, rassistischen und nationalistischen/faschistischen Ausprägungen für unvereinbar mit unserer Verfassungs- und Gesellschaftsordnung halte und demnach zutiefst ablehne.

Doch nicht alles, was wir gesellschaftlich ablehnen und auch aus unserer persönlichen Sicht mit unserer Verfassung für nicht vereinbar halten, können wir verbieten. Vielmehr dürfen wir es von Verfassungs wegen auch nicht. Denken Sie bsp. an das NPD-Verbotsverfahren, dass lediglich in einem Ausschluss von der Parteienfinanzierung mündete. Oder gar daran, dass sich ähnlich antisemitische, rassistische und revisionistisch-nationalistische Tendenzen in der AfD vereinigen. Auch hier ist an ein Verbot, geschweige denn von einer vollständigen Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht zu denken.

Zu Ihrer Frage nach dem Verbot der „Grauen Wölfe“ nehme ich gerne wie folgt differenziert Stellung mit einer systematischen Einordnung.
Der Oberbegriff für diese Gruppierung, die sie unter „Graue Wölfe“ verknappt zusammenfassen, sind die Anhänger der sog. „Ülkücü Bewegung“, die der sog. „turanisitischen Ideologie“ anhängen. Diese Ideologie zeichnet sich durch eine antisemitische, rassistische und nationalistische tiefe Grundüberzeugung aus, die von der Zielvorstellung eines homogenen Turkstaates ausgeht, der eine erhebliche territoriale Ausdehnung zu Lasten anderer Nationen vom Westbalkan bis nach China fordert.

Sofern Sie also die jüngsten abscheulichen islamistischen Anschläge (zu denen sich der IS bekennt) mit diesem Phänomenbereich aus dem Verfassungsschutzbericht von 2019 vermengen, verkennen Sie, dass die Bekämpfung von Islamismus andere Herausforderungen und staatliches Handeln insbesondere zur Verhütung von Anschlägen verlangt, als die Unvereinbarkeit dieses ideologisch völlig verqueren und mit unserem Grundgesetz in keinster Weise vereinbaren Gedankenguts der sog. "Ülkücü Bewegung".

Ich zitiere aus dem Verfassungsschutzbericht 2019 des Bundesamt für Verfassungsschutz, S.257 (...) „Die rechtsextremistische türkische „Ülkücü“-Bewegung („Idealisten“-Bewegung) entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei. Sie fußt auf einer nationalistischen und rassistischen rechtsextremistischen Ideologie, deren Wurzeln im Panturkismus/Turanismus liegen. Die ideologische Bandbreite dieser Bewegung reicht von neuheidnischen Elementen über einen nationalistischen Kemalismus bis in den Randbereich des Islamismus. Das Ziel dieser Bewegung ist die Verteidigung und Stärkung des Türkentums.“(...)

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat diesem Phänomenbereich also ausgiebig Raum in seinem Bericht gegeben und ich empfehle auch dessen Lektüre. Was das beliebte aktionistische Vorgehen angeht, Verbote zu fordern, bin ich zurückhaltend und mehr der Überzeugung, dass unser Grundgesetz und die Mehrheitsgesellschaft solchen Menschen genügend Einhalt gebietet. Ich beobachte im Innenausschuss regelmäßig solche Tendenzen aller im Bericht genannten Phänomenbereiche und fühle mich vom Bundesamt für Verfassungsschutz gut informiert, notwendigenfalls fachlich gut begründete Verbote zu unterstützen oder zu fordern, die unsere Sicherheitsbehörden empfehlen.

Der wirksamste Schutz gegenüber extremistische Tendenzen sind keine Verbote, sondern eine gute Aufklärungsarbeit, eine gelebte Verfassung und mündige Bürgerinnen und Bürger, die solchen Tendenzen keinen Raum lasse. Dazu zählt auch, dass wir den kleinen Raum, welchen diese Extremisten nutzen wollen u.a. auch mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und anderen Behörden gut überwachen.

Im Ergebnis hielte ich es persönlich für ein durchaus politisch vertretbares Signal und Sie haben mit Ihrer Forderung auch mein Verständnis, doch sehe ich fachliche Hindernisse bei der rechtssicheren Umsetzung einer solchen Forderung.

Mit freundlichen Grüßen

Mahmut Özdemir MdB

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