Frage an Mahmut Özdemir von Ralf L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Özdemir,
ich zitiere aus Ihrer Antwort auf die Frage von Jürgen Jenschke, die ich im Übrigen nicht wirklich beantwortet finde:
"Mit seinen Reaktionen auf dieses Unrecht muss Deutschland immer darauf bedacht sein, nicht diejenigen Türken abzustrafen, die eigentlich deutschland- und europafreundlich sind."
Ich frage Sie ganz konkret Herr Özdemir: Strafen wir alle und damit auch die deutsche Regierung und ihre politischen Vertreter nicht eben gerade diese weltoffenen, in Deutschland lebenden Türken und in Deutschland lebenden deutschen Staatsbürger mit türkischen Wurzeln, die, hier in Deutschland, von Erdogan-Anhängern schikaniert werden, indem z.B. offen und versteckt zum Boykott von deren Läden aufgerufen wird, ohne dass sich das irgendwie auf das Verhältnis zur Türkei und zu ihrem Staatspräsidenten auswirkt? Strafen wir im Weiteren nicht gerade die weltoffenen Türken / Deutsche mit türkischen Wurzeln, indem wir es zulassen, dass deutsche Staatsbürger ohne Mitteilung von offizieller Stelle in der Türkei verhaftet werden dürfen, ohne dass das irgendwelche Folgen hat?
Gut, dass waren jetzt zwei Fragen, aber ich bitte trotzdem um eine konkrete Antwort, vielen Dank dafür.
Sehr geehrter Herr L.,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Anfrage zum Thema des "richtigen" Umgangs mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan.
Die Lage in der Türkei hat sich in der vergangenen Zeit rasant verändert, der Umgang mit Regierungskritikern hat sich dabei zugespitzt.
Genau aus diesem Grunde - nämlich der stetigen Veränderung der Umstände - ist es kaum möglich, eine Antwort auf Ihre Frage zu finden, die auch in vier Wochen oder drei Monaten noch zutreffend ist. Dennoch möchte ich Ihnen aus heutiger Perspektive antworten.
Eine sich verschärfte Lage in der Türkei fordert einen anderen Umgang seitens Deutschlands mit der türkischen Regierung. Während in der Vergangenheit EU-Beitrittsverhandlungen weiter aufrecht gehalten wurden, werden nun Stimmen dazu laut, die fordern, dass es diese zu beenden gilt. Und genau hier schließt mein Satz an, den Sie zitiert haben: "Mit seinen Reaktionen auf dieses Unrecht muss Deutschland immer darauf bedacht sein, nicht diejenigen Türken abzustrafen, die eigentlich deutschland- und europafreundlich sind." Mit einem Aufkündigen der Beitrittsverhandlungen bestrafen wir natürlich auch diejenigen Türken, die wir nicht bestrafen wollen, weil sie Deutschland und Europa zugewandt sind. Und dennoch muss das Verhalten der türkischen Regierung Konsequenzen haben.
Das Ziel Deutschlands ist es, die Freilassung der in der Türkei festgenommenen Deutschen zu erreichen und im Dialog mit der Türkei zu bleiben. Diplomatische Gespräche abbrechen zu lassen, halte ich nach wie vor nicht für sinnvoll oder gar erstrebenswert.
Mit freundlichen Grüßen
Mahmut Özdemir
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