Wie wollen Sie in der Zukunft mit der türkischen Regierung umgehen?
Sehr Geehrter Herr Karaahmetoğlu,
Gegen die Inhaftierung eines Oppositionspolitikers in der Türkei hat sich die SPD klar positioniert, da diese Inhaftierungen demokratischen Grundwerten widerspricht und damit auch gegen die Grundwerte der NATO.
Wie wollen Sie also in Zukunft mit der türkischen Regierung umgehen, vorallem bezogen auf das NATO-Büdnis?
Cedric M.

Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage, in der bereits die Ambivalenz im politischen Umgang mit der Türkei deutlich wird. Das Verhältnis zur Türkei ist unzweifelhaft sehr komplex. Das Land ist ein essentielles Partnerland für die Sicherheit Europas, NATO-Mitglied und – das möchte ich betonen – auch immer noch EU-Beitrittskandidat. Dass ein Beitritt zur EU unter Präsident Erdogans Kurs im vergangenen Jahrzehnt deutlich in die Ferne gerückt ist, ist offenkundig. Im Türkischen gibt es ein Sprichwort, dass sinngemäß lautet: „Freunde reden stets bitter“. Und so halte ich es nicht nur für richtig, sondern bedingungslos, dass Deutschland weiterhin Themen wie die fehlende Rechtsstaatlichkeit in der Türkei kritisch anspricht. Die Demokratie in der Türkei hatte schon immer Mängel, so wie fast jede Demokratie dieser Welt. Diese sind in den vergangenen 10-15 Jahren nicht weniger geworden. Mit der Festnahme des aussichtsreichsten Oppositionskandidaten unter fadenscheinigen Begründungen ist aber ein Punkt erreicht worden, an dem man sich ernsthaft fragen muss, ob die Türkei überhaupt noch eine Demokratie ist.
Zugleich ist die Türkei aber nicht nur NATO-Mitglied und somit Partnerland bzw. Teil des politischen Westens. Sie ist auch geopolitisch in einer sich immer mehr wandelnden Weltordnung von so zentraler strategischer Bedeutung, dass wir – also Deutschland und Europa - es nicht riskieren können, sie als Partnerstaat zu verlieren. Für mehr Hintergrundinformationen zur geostrategischen Bedeutung des Landes empfehle ich Ihnen gern das Positionspapier „ECKPUNKTE FÜR EINE ZUKUNFTSORIENTIERTE EU-TÜRKEIPOLITIK“, an dem ich federführend mitgewirkt habe: https://www.seeheimer-kreis.de/fileadmin/data/documents/20231119_Seeheim_Strategiepapier_Tuerkei.pdf
Vor diesem Hintergrund erachte ich im außenpolitischen Umgang mit der Türkei als NATO-Partnerland bei aller berechtigter Kritik am aktuellen politischen System des Landes einen gewissen Grad an Pragmatismus für unerlässlich. So ist auch der Absatz im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung zu deuten: „Die Türkei ist ein wichtiger strategischer Partner innerhalb der NATO, Nachbar der EU und einflussreicher Akteur im Nahen Osten, mit dem wir von der Sicherheitspolitik bis zur Migration gemeinsam geopolitischen Herausforderungen begegnen wollen. Eine grundlegende Verbesserung der demokratischen, rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Situation ist für uns ein zentrales Element.“
Gern können wir uns einmal im persönlichen Gespräch, zum Beispiel bei einer Bürgersprechstunde in meinem Wahlkreisbüro oder einer Veranstaltung im Wahlkreis Ludwigsburg ausführlicher zur Frage der Türkei austauschen.
Beste Grüße nach Vaihingen
Macit Karaahmetoglu, MdB