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Frage von Juergen V. •

Frage an Lothar Binding von Juergen V. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,
vor kurzem wurde ihr Kollege O. Scholz zum Finanzminister ernannt. Herr Scholz hat nun einen ehemaligen Bankenmanager zum Staatssekretär ernannt.
Wie werten sie diese Ernennung?
Waren die Aufdeckungen der Panama-Papers nicht Warnung genug vor diesen Bankmanagern?

In der letzten Legislaturperiode zu den Cum-Ex Geschäften war Herr Scholz auch gegenüber den Steueroptimierungsgeschäften der Hamburger Warburg.-Bank sehr zurückhaltend.
Hier musste der Bund diese Bank zur Aufklärung drängen.
Sie waren Mitglied des UA zu den Cum-Ex Geschäften. Hier wurde auch ein Fall bekannt, dass ein Beamter auch für Banken gearbeitet hat und Banken Informationen zugespielt hat.
Wird nun unter einem SPD Minister den Banken zu bekannter Vorgehensweise bei der "Steueroptimierung" verholfen?

Der Cum-EX Skandal und das Verhalten der Beteiligten sollte für die Regierung Warnung genug sein. Hier ging es um Milliardensummen.
Wie steht es um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer die von allen Fraktionen seit 2011 gefordert wurde?

Mit bestem Dank für die Beantwortung und freundlichen Grüßen
j.V.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Vanselow,

vielen Dank für Ihre Frage zur Personalentscheidung: Staatssekretär im
Bundesministerium der Finanzen, Jörg Kukies. Der Kern Ihrer Frage ist, ob es
vertretbar ist, dass ein ehemaliger Investmentbanker Staatssekretär im
Bundesfinanzministerium werden soll.

Diese Personalentscheidung des Bundesfinanzministers wurde nach
Bekanntwerden vielfach kritisiert. Ich war auch irritiert, mir Jörg Kukies,
bislang einer der beiden Deutschland-Chefs der Investmentbank Goldman Sachs,
im Finanzministerium vorzustellen zu müssen. Es wurde die Bankenkrise ja
nicht von Sparern verursacht, sondern von sogenannten Finanzexperten im
Bankenwesen bzw. von Investmentbankern. Insbesondere die Abschätzung
zukünftiger Entwicklungen, also die Fähigkeit, Prognosen zu erstellen,
gehört zu ihren schwachen Seiten. Allerdings kennen sie sich mit der
Entwicklung hochkomplexer, auch toxischer Finanzprodukte und deren
Tranchierung zum Zwecke der Vermarktung aus. Das falsche Signal. Einerseits.

Nun war Jörg Kukies aber auch der Vorgänger von Andrea Nahles als Juso-Chef
in Rheinland-Pfalz. Wenn ich mich mit all meiner Empathie in die Goldman
Sachs Investmentbank einfühle und mir vorstelle: der Juso Jörg Kukies, aus
Sicht der Bankerkollegen also ein eher linksradikaler Revoluzzer, wird
Kollege in der Abteilung Investmentgeschäft von Goldman Sachs, wäre ich doch
ziemlich irritiert. Das falsche Signal. Andererseits.

Die allgemeine Kritik an der Personalentscheidung impliziert vor allen
Dingen, dass ein ehemaliger Investmentbanker in verantwortlicher Position in
seiner neuen Rolle als Staatssekretär für den Bereich Finanzmarktpolitik in
erster Linie das Wohl der Finanzindustrie im Blick hätte. Dieser Verdacht
stützt sich dabei einzig auf die berufliche Vita von Jörg Kukies, ist also
eine schlichte Unterstellung.

Sein beruflicher Werdegang ist jedoch in erster Linie ein Indiz für seine
fachliche Kompetenz im Bereich des Finanzmarktes. Mit seinem Wechsel in das
Bundesfinanzministerium nimmt er eine neue Rolle ein und vertritt als
Beamter die Interessen des Staates. Es ist unfair, zu unterstellen, dass er
den Aufgaben in seiner neuen Rolle, z.B. im Bereich der
Finanzmarktregulierung, nicht gerecht würde, nur weil er in seinem
vorherigen Job die Interessen einer Bank vertreten hat. Ich gehe davon aus,
dass Jörg Kukies sein Wissen und seine Erfahrungen als Investmentbanker
einsetzt und für eine gute Finanzmarktpolitik im Sinne aller Bürgerinnen und
Bürger arbeitet – dafür wird er künftig bezahlt. Meine Empfehlung lautet:
Beobachten Sie die Arbeit des Staatssekretärs im Laufe der Legislaturperiode
und bewerten Sie im Anschluss das Ergebnis. Das ist fair.

Sie führen in Ihrer Frage auch den Cum-Ex Skandal an, in dem ein ehemaliger
Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums in Verdacht steht, Informationen an
die Finanzwirtschaft weitergegeben zu haben. Ein solches Verhalten wäre
eindeutig zu verurteilen. Das konnten Sie auch von mir schon hören. Ein
wenig frage ich mich aber, warum Sie dies hier ansprechen? Sie verknüpfen
ein mögliches Fehlverhalten einer Person mit Unterstellungen über eine
andere Person. Stellen Sie sich vor, es ginge in Ihrem Arbeitsumfeld so zu.

Sie schreiben abschließend: "Wie steht es um die Einführung einer
Finanztransaktionsteuer, die von allen Fraktionen seit 2011 gefordert
wurde?". Von allen leider nicht. Es ist weiterhin das Ziel der SPD, eine
Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene zu etablieren. Eine
Besteuerung der Finanztransaktionen ist gerecht und notwendig, um den
Finanzsektor stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen. In
der vergangenen Legislaturperiode wurde über die Einführung der
Finanztransaktionssteuer im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit auf
europäischer Ebene verhandelt. Der damalige Bundesfinanzminister Schäuble
ließ die Verhandlungen jedoch eher laufen, unterbreitete keine eigene
Vorschläge. Und da Italien und Frankreich sehr unterschiedliche
Vorstellungen zu diesem Thema haben, gab es schon zwischen den drei größten
Mitgliedsstaaten keine Einigung, obwohl sich z.B. Österreich und auch
Portugal redlich bemühten.

Ich hoffe sehr, dass die Einführung der Steuer nun gelingt.

Mit freundlichen Grüßen, Lothar Binding