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Frage von Matthias S. •

Frage an Lothar Binding von Matthias S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Bindung,

vielen Dank für Ihre Antwort. Abschließend stelle ich fest: Wir unterscheiden uns in der Beurteilung der unkonventionellen Geldpolitik offensichtlich in einem Punkt. Sie nehmen die Sicht eines Juristen ein, der sich daran festhält, dass ein Gericht die Staatsanleihekäufe als noch zulässig deklariert hat. Ich dagegen nehme den Standpunkt eines Ökonomen ein, den allein interessiert, was faktisch passiert (Staatsfinanzierung, Umverteilung von unten nach oben) und für den es daher zweitrangig ist, ob ein Richter das als noch zulässig einstuft.

Unabhängig davon bleibt die Frage unbeantwortet: Warum lassen die Parlamentarier es zu, dass die Schuldenkrise allein über EZB-Geldpolitik bzw. Gelddrucken bewältigt werden soll statt über demokratische Fiskalpolitik? Es ist doch ein Fakt, dass dazu fiskalpolitisch in Deutschland fast nichts getan wird, denn mir sind dazu keine steuerpolitischen Maßnahmen in Deutschland bekannt nach dem Prinzip "Starke tragen mehr als Schwache": Ein Steuersoli für die Altschulden, eine temporäre Vermögensteuer zum Schuldenabbau, ein Lastenausgleich zur Entschädigung der normalen Sparer usw. wären faire, demokratische Maßnahmen. Warum nehmen sich die demokratisch gewählten Parlamente nicht der Sache an, sondern lassen einen demokratisch nicht legitimierten EZB-Chef einfach Geld drucken, was die Reichen reicher macht und die Sparer enteignet?

Ich habe jetzt nur noch eine Frage und werde dann zunächst keine weitere Anfrage an Sie richten: Wissen Sie, ob Martin Schulz weiterhin für Eurobonds eintritt, er also immer noch eine Verlagerung der Schulden anderer Staaten auf Deutschland anstrebt und dies als Kanzler umsetzen würde?

Ein gesegnetes Osterfest wünscht Ihnen

M. Schwarzer

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Sehr geehrter Herr Schwarzer,

vielleicht kommen Sie doch einmal auf einen Kaffee zum Bürgergespräch ins Literaturcafé nach Heidelberg, denn "abschließende Feststellungen" sind ja oft weder abschließend noch korrekt.

Sie schreiben: "Faktisch kauft er aber illegal am Primärmarkt und finanziert direkt..." und reklamieren für sich den "Standpunkt eines Ökonomen". Finden Sie nicht auch, dass der Begriff "illegal" eher in die Jurisprudenz gehört, denn in die Ökonomie? Unter http://www.dict.cc/englisch-deutsch/legal.html finden Sie Hinweise, die meine These stützen. Mit diesem Beispiel möchte ich lediglich zeigen, warum es sich lohnt mit eilfertigen Thesen ein wenig vorsichtig zu sein. Gleichwohl: meine Antworten bei Abgeordnetenwatch, wie auch sonst im Leben, sind selten abschließende Feststellungen. Zu schnell ändert sich etwas in der Welt, und was heute noch gültig, ist morgen schon ungültig. Manchmal irre ich auch. Was bleiben sollte ist die Haltung und das setzt voraus dass man eine Haltung hat.

Vielleicht müssten wir auch etwas genauer darüber reden, ob Ihre Übersetzung von "Sekundärmarkt" in "Faktisch Primärmarkt" hilfreich ist.

Auch Ihre Suggestivfragen deuten darauf hin, dass es Ihnen mehr um Ihre (wahren und falschen) Botschaften, als um Erkenntnisgewinn durch Antworten auf Fragen geht.

Sie schreiben: "Warum lassen die Parlamentarier es zu, dass die Schuldenkrise allein über EZB-Geldpolitik bzw. Gelddrucken bewältigt werden soll statt über demokratische Fiskalpolitik?" Für diese Frage gibt es keine Antwort, weil die implizite Annahme" lassen die Parlamentarier es zu, dass die Schuldenkrise allein über EZB-Geldpolitik bzw. Gelddrucken" falsch ist. Bitte schauen Sie sich die fiskalischen Maßnahmen in den 27 Mitgliedstaaten einfach einmal genauer an. Es passiert nicht genug - das sehe ich auch - aber damit wird Ihre falsche These nicht plötzlich wahr.

Sie schreiben: "Es ist doch ein Fakt, dass dazu fiskalpolitisch in Deutschland fast nichts getan wird..." Das ist falsch. Sie schreiben weiter: "... dazu keine steuerpolitischen Maßnahmen in Deutschland bekannt nach dem Prinzip "Starke tragen mehr als Schwache"". Das ist richtig - die Politik hängt von Mehrheiten ab.

Sie schreiben auch: "Ein Steuersoli für die Altschulden, eine temporäre Vermögensteuer zum Schuldenabbau... wären faire, demokratische Maßnahmen." Demokratisch bedeutet, dass Mehrheiten vorhanden sein müssen. Solche Maßnahmen, insbesondere eine "Vermögensteuer" stoßen aber bei CDU/CSU auf erbitterten Widerstand. CDU/CSU haben sogar eine wirksame Erbschaftsteuer torpediert. Auch das ist ein Ergebnis in einer Demokratie.

Sie schreiben: "ein Lastenausgleich zur Entschädigung der normalen Sparer". Hier bin ich mir nicht sicher, ob Sie (weil Sie ja den "den "Standpunkt eines Ökonomen" einnehmen) daran gedacht haben, dass zwischen Real und Nominalzins zu unterscheiden ist. Und wenn es Ihnen darum geht, dass "Starke tragen mehr als Schwache", wäre auch noch zu prüfen, wer stärker in den Genuss eines Lastenausgleiches käme. Wenn Sie an die Dimension bei Versicherungen, Altersvorsorgefonds oder Bausparkassen denken, wäre zu fragen wer wessen Lasten ausgleicht, ausgleichen kann. Allerdings gibt es ja auch die Kehrseite des Zinses für die "Schwachen".

Sie schreiben auch: "Warum nehmen sich die demokratisch gewählten Parlamente nicht der Sache an..." Diese Behauptung enthält implizit wieder eine falsch These.
Sie schreiben weiter: "... sondern lassen einen demokratisch nicht legitimierten EZB-Chef einfach Geld drucken, was die Reichen reicher macht und die Sparer enteignet?" Dieser Satz geht in seiner Schlichtheit an der Wirklichkeit vorbei.

Ihre letzte Frage folgt dem gleichen Muster wie oben: Sie behaupten, vornehm in eine Frage gekleidet, dass "er also immer noch eine Verlagerung der Schulden anderer Staaten auf Deutschland anstrebt". Warum sollte ein deutscher Politiker und ein Europäer "anstreben" "Schulden anderer Staaten auf Deutschland" zu verlagern - und das, wo Martin Schulz ein Verfechter des Bail in Gebots ist. Das Bail-In-System trat am 1. Januar 2016 in Kraft. Selbst wer für Eurobonds eintritt hat nicht zum Ziel Schulden zu verlagern (damit würde ja auch kein Problem gelöst), sondern das Ziel, bei der Refinanzierung vieler Länder zu helfen. Eurobonds wären höchstens ein Werkzeug. Vielleicht anders herum: Ein reiches Exportland bleibt nicht lange reich, wenn alle Nachbarn arm bleiben. Allerdings hatte Martin Schulz vor gut sechs Jahren die Diskussion zu Eurobonds mit angestoßen. Damals wie heute ist es gut über Werkzeuge zur besseren Finanzierung Europas oder auch der Mitgliedstaaten nachzudenken. Dabei darf ein Werkzeug aber nicht zum Selbstzweck werden.

Auch gegenwärtig gibt es Debatten über neue Werkzeuge, Überlegungen Europa besser für die Zukunft zu rüsten. Sich dabei hektisch auf Instrumente festzulegen, wäre der falsche Weg. Aber darüber nicht mehr nachzudenken wäre ebenso schlecht. Sie finden dazu einige Hinweise unter https://www.welt.de/newsticker/bloomberg/article163642435/Eurobonds-sind-fuer-Schulz-erledigt-SPD-prueft-neue-Instrumente.html .

Ich hoffe sehr, dass ich zeigen konnte, warum einige Ihrer Fragen in einem leeren Anwendungsbereich liegen - bei Suggestivfragen passiert das leicht.

Ich versuche alle, wenigstens die ersten Briefe und Mails von Bürgerinnen und Bürgern zu beantworten. Deshalb muss ich die Dialoge manchmal unhöflich kurz halten, solange noch Bürgerinnen und Bürger auf ihre erste Antwort warten. Deshalb bitte ich Sie um Verständnis, wenn ich hier unseren schriftlichen Dialog verlasse.

Ich wünsche Ihnen auch einige schöne Osterfeiertage und alles Gute für die folgenden Tage...
Ihr Lothar Binding