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Frage von Werner M. •

Frage an Lothar Binding von Werner M. bezüglich Wirtschaft

Hallo, die Sparkassen und Genossenschaftsbanken tätigen weniger risikoreiche Geschäfte wie große europäische Investmentbanken, sollen sie demnächst wie in der EU geplant für die windigen Geschäfte mit haften? Nachdem die Gewährträgerhaftung durch Zwang der EU schon abgeschafft wurde, wäre diese weitere Maßnahme eine weitere Schwächung unserer bisher relativ sicheren Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Ich habe den Eindruck das die Investmentbanken mit ihren Lobbyisten den öffentlich rechtlich oder genossenschaftsrechtlich organisierten Geldinstituten die „Luft abdrehen“ wollen!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Mahlieu,

vielen Dank für Ihre Frage. Nachdem es verschiedene europäische Initiativen zur Überwindung bestimmter Krisenelemente in Mitgliedstaaten der Eurozone gab, etwa das Ankaufprogramm von Staatsanleihen der EZB, die EFSF-Garantien, das Six-Pack, der Fiskalpakt, das Two-Pack oder schließlich der ESM, steht nun die von Ihnen angesprochene Bankenunion im Mittelpunkt.

Es gibt immer wieder Bestrebungen in Europa, Systeme oder Regelungen einzuführen, die auf das Deutsche dreigliedrige Bankensystem, bestehend aus privaten, genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Banken keine Rücksicht nehmen, obwohl bekannt ist, wie stabil dieses System ist und welch stabilisierende Wirkung Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Volksbanken auch während der jüngsten Krise hatten und haben.

Im Bundestag formulierte Peer Steinbrück: "Das deutsche Universalbankensystem hat sich als robuster und resistenter herausgestellt als das amerikanische Bankensystem" und ich füge hinzu, auch stabiler als viele nationale Bankensysteme in Europa. Natürlich gab es auch in Deutschland einzelne große Institute, die sich am Handel mit toxischen Produkte beteiligt haben, aber die vielen Volks- und Raiffeisenbanken und die meisten Sparkassen haben ihre Bilanzen soweit mir bekannt sauber gehalten.

Wichtig ist die Frage, wie die Bankenunion eigentlich definiert wird. Während es zunächst europäischer Konsens zu sein schien, dass eine Bankenunion aus

· einer unabhängigen Aufsicht,

· einem Abwicklungsregime, bestehend aus Abwicklungsmechanismus und Abwicklungsfonds,

· sowie einem Einlagensicherungssystem

zu bestehen habe, scheint es inzwischen hier auf eine Bankenunion light hinaus zu laufen, bei der zunächst eine europäische Aufsicht, angesiedelt bei der EZB, geben soll. Erst später soll es einen Abwicklungsmechanismus, einen von den Banken gespeisten Abwicklungsfonds geben und sehr viel später die Einlagensicherung.

Dabei ist es der SPD Bundestagsfraktion wichtig, dass nur die internationalen und systemrelevanten Banken ab einer ganz bestimmten Größenordnung an der Bankenunion beteiligt werden. So unterstützen wir die mit Ihrer Frage angedeutete Forderung zur Sicherung der „öffentlich rechtlich oder genossenschaftsrechtlich organisierten Geldinstitute… „

Ich füge noch einige Gedanken an, Sie finden zum Thema „Risiko und Haftung“ aber auch auf meiner Website und auf der Website der SPD Fraktion viele Hinweise.

Die Stärkung einer EU-weiten Aufsicht im Rahmen der SSM-Verordnung (Single-Supervisory Mechanism) ist sinnvoll, wenn dabei Kontrolle und Haftung zusammen gebracht werden und Teile der Aufsicht in Abhängigkeit ihre Systemrelevanz auf nationaler Ebene verbleiben.

Es gibt noch einen wichtigen Aspekt, der die Bankenrettung im Zusammenhang mit der direkten Finanzierung aus dem europaweit steuerfinanzierten ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) hinterfragt:

Mit Blick auf die „deutschen Steuerzahler“ wird die Frage aufgeworfen, ob eine Bankenunion hinreichende Bedingung dafür ist, dass Banken direkt aus dem ESM unterstützt oder gerettet werden dürfen. Soll es tatsächlich möglich sein, dass der deutsche Steuerzahler direkt für ausländische Banken verantwortlich ist, ohne parlamentarische Kontrolle über die Rahmenbedingungen der zu stützenden Banken, deren Geschäftsmodelle, deren Geschäftspraktiken, deren Risikomanagement etc.? Ich sage: nein. Der ESM darf m. E. nur insoweit in Anspruch genommen werden, wie die jeweiligen Staaten, für das Engagement des ESM haften. Damit bleiben die Staaten in der Haftung gegenüber dem ESM und nicht private Banken. Andernfalls öffnen wir einen Transferkanal zwischen privatem Risiko und öffentlicher Haftung. Das würde die gefährliche Entwicklung zunehmenden privaten Reichtums bei gleichzeitiger Zunahme öffentlicher Armut verschärfen, gewissermaßen systemisch verankern. Schon heute liegt das private unverschuldete Vermögen in Deutschland bei etwa 10 Billionen Euro, währen die Schulden des Staates etwa 2,5 Billionen betragen. Privater Reichtum korrespondiert mit öffentlicher Armut - deshalb darf der Steuerzahler nicht längen die Risiken privater Banken absichern. Deshalb soll auch der erwähnte Abwicklungsfonds von den Banken aufgebaut und gespeist werden - von den großen Banken, von jenen die große Risiken in den Markt bringen…

Mit freundliche Grüßen, Ihr Lothar Binding