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Lisa Paus
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Frage von Thorsten K. •

Frage an Lisa Paus von Thorsten K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Paus,

ich nehme Bezug auf die Änderung des EStG, insbesondere die nunmehr beschränkte Anrechnung von Verlusten aus Termingeschäften.

Nach neuer Regelung würde ein Privatanleger, der einerseits durch Termingeschäfte TEUR 50 gewinnt, aber andererseits durch z.B. Absicherungsgeschäfte TEUR 100 verliert, Abgeltungssteuer in Höhe von 25% auf den "Gewinn" von TEUR 40 zahlen müssen.
Das heißt, der Privatanleger würde im Rechenbeispiel sein Jahr ohnehin im Minus abschließen und müsste obendrauf noch TEUR 10 (+ Soli & ggf. Kirchensteuer) Abgeltungssteuer entrichten müssen.

Dies erscheint mir in grobem Widerspruch zu den Grundprinzipien einer fairen Besteuerung zu stehen, insbesondere sehe ich das Netto- und das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt.

Gesetzliche Maßnahmen zum Anlegerschutz werden durch die Änderung des EStG konterkariert, da nunmehr eine theoretisch unbegrenzte steuerliche Nachschusspflicht gegenüber dem Staat entsteht, wohingegen die finanziellen Risiken aus den Termingeschäften selbst in aller Regel auf höchstens den eingezahlten Betrag begrenzt ist.
Dies kann Menschen potenziell in existenzieller Nöte bringen.

Zudem ist nicht klar, warum Termingeschäfte per se unattraktiver gemacht werden sollen, wenn die nunmehr existierenden steuerlichen Regelungen eine größere Gefahr für den Privatanleger darstellen als die Termingeschäfte selbst.

Es sei darauf hingewiesen, dass zum Beispiel angesichts der aktuellen Verwerfungen an den Finanzmärkten im Zuge der SARS-COV2-Krise schon mittelgroße, mit Optionen abgesicherte Depots, Verlustvorträge anhäufen würden, die über viele Jahre hinweg nicht mehr abgetragen werden könnten.

Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass es voraussichtlich zu einer hohen außerordentlichen Belastung der Finanzgerichte kommen wird, da bereits viele Verbände und auch Privatpersonen Klagen gegen das neue Gesetz angekündigt haben.

Bitte legen Sie mir dar, inwieweit diese Änderung des EStG mit den Prinzipien einer fairen Besteuerung vereinbar ist.

Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Kock

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kock,

ich danke Ihnen für Ihre Nachricht. Die von Ihnen angesprochene Änderung des Einkommensteuergesetzes erfolgte, weil der Bundesfinanzhof die Sichtweise der Bundesregierung, wonach Totalverluste aus Termingeschäften nicht dem steuerbaren Bereich zuzurechnen sind, nicht anerkannte. Um die Auswirkungen dieser Rechtsprechung zu begrenzen, einigte sich die Große Koalition auf die beschränkte Verlustverrechnung, auch mit dem Ziel, den spekulativen Finanzmarkthandel einzudämmen. Die Grüne Bundestagsfraktion enthielt sich bei der Abstimmung über den Änderungsantrag der Regierungskoalitionen.

Grundsätzlich teilen wir Grüne das Ziel, Spekulationen am Finanzmarkt einzudämmen. Allerdings soll dies für alle Marktakteure gelten und nicht nur für Privatanleger*innen. Die Einführung dieser Regelung zeigt, dass die Abgeltungsteuer an vielen Stellen ungerecht wirkt. Aus diesem Grund wollen wir die Abgeltungsteuer abschaffen und Kapitalerträge wieder im normalen Besteuerungsverfahren erheben. In einer umfassenderen Reform können dann die von ihnen angeführten und viele weitere Ungerechtigkeiten behoben werden.

Zudem hat die Grüne Bundestagsfraktion diese Woche eine Kleine Anfrage beim Bundestag eingereicht, um noch weitere Informationen von der Bundesregierung, auch über laufende Gerichtsverfahren hierzu, zu gewinnen.

Mit herzlichen Grüßen
Lisa Paus

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