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Lars Castellucci
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Frage von Ruth S. •

Wie wollen Sie verhindern, dass der begutachtende Psychiater aufgrund seiner Einstellung zum assistierten Suizid eine Fehlentscheidung trifft?

Sehr geehrter Herr Castellucci,
das BVG hat im Bezug auf den assistierten Suizid das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen als Grundrecht in den Mittelpunkt gestellt.
Nun möchten Sie dieses delegieren an einen begutachtenden Psychiater in der Hoffnung, dass dieser eher eine Entscheidung im Sinne des Betroffenen treffen kann als dieser selbst.
Ich frage mich, wie Sie sicherstellen können, dass dieses in jedem Fall auch so sein wird? Meine Erfahrung ist, dass auch ein Psychiater - wie jeder Mensch - sich irren kann und auch beeinflusst ist von seiner persönlichen Meinung zum Thema "assistierter Suizid". Eine bestimmte Berufswahl macht einen Menschen ja nicht unfehlbar. Der Glaube an ein absolut objektives und unfehlbares Urteil eines begutachtenden Psychiater liegt aber letztendlich Ihrer Entscheidung als Rechtfertigung zugrunde, sich über das Urteil des BVG hinwegzusetzen.

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Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Das Bundesverfassungsgericht schreibt in seinem Urteil: „Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass der Entschluss, begleiteten Suizid zu begehen, tatsächlich auf einem freien Willen beruht.“ Es gibt also eine Pflicht des Staates, die Selbstbestimmung zu schützen, um so beispielsweise zu verhindern, dass sich Menschen mit Hilfe Dritter das Leben nehmen, weil sie sich von außen unter Druck gesetzt fühlen. Dafür können gesetzlich Sicherungsmechanismen verankert werden.

In unserer Gruppe kommen wir zu dem Ergebnis, die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid nur bei Einhaltung eines Schutzkonzeptes zu erlauben. Wer Suizidhilfe durch den Arzt seines Vertrauens erhält, der im Ausnahmefall handelt, kommt ohne dieses Schutzkonzept aus. Ohne ein solches Schutzkonzept wären Menschen den Organisationen, die wirtschaftliche Interessen in der Suizidhilfe haben und dies über Vereinsorganisationen verschleiern, eben schutzlos ausgeliefert. Selbstbestimmung verlangt aber, dass ein Mensch ohne inneren und äußeren Druck zu seiner Entscheidung kommt.

Renate Künast  u.a. schlagen vor, dass eine „Behörde eine Bescheinigung über das Recht des/der Sterbewilligen auf Zugang zu dem Betäubungsmittel“ ausstellt. Ich halte das für viel bevormundender als unsere Regelung. Die Verantwortung muss bei den handelnden Personen liegen (und muss dafür definiert werden), nicht bei einer staatlichen Stelle - das wäre autoritär. Der dritte Gesetzentwurf spricht sich für eine flächendeckende Suizidberatungsinfrastruktur aus, dies käme einer Suizidförderungsinfrastruktur gleich. In unserem Gesetzentwurf handelt es sich bei der zweistufigen Begutachtung durch psychiatrisch ausgebildete Ärztinnen und Ärzten ausschließlich um die Feststellung von Freiverantwortlichkeit und Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches. Sie verfügen über die nötige Qualifizierung genau hierfür. Diese Tätigkeit stellt eine originäre Aufgabe von Psychiaterinnen und Psychiatern dar.

Freundliche Grüße

Lars Castellucci

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