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Klaus Ernst
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Frage von Dieter V. •

Frage an Klaus Ernst von Dieter V. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Ernst,

als Abgeordneter des deutschen Bundestages, erwarte ich von Ihnen, dass Sie sich für die Belange der Deutschen einsetzen und alles tun, damit der Bundestag über die Bailouts europäischer Länder abstimmt. Keinesfalls bin ich damit einverstanden, dass die Bundesregierung hier Alleingänge durchführt und die Deutschen damit finanziell ausblutet, ohne den Bundestag darüber abstimmen zu lassen.

Darf ich damit rechnen, dass Sie sich in dieser Sache aktiv für die Belange der Deutschen (nicht der EU) einsetzen?

mit freundlichen Grüßen
Dieter Vollmuth

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Sehr geehrter Herr Vollmuth,

der künftige „Europäische Stabilisierungsmechanismus“ (ESM) soll eine effektive Gesamt-Darlehenskapazität in Höhe von 500 Mrd. Euro bereithalten. Um dies zu erreichen, müssen die beteiligten Länder insgesamt 700 Mrd. Euro für den ESM in Form von eingezahltem und abrufbarem Kapital bereitstellen. Für Deutschland bedeutet dies entsprechend seinem Anteil eine mögliche Gesamtbelastung in Höhe von 190 Mrd. Euro. Allein die Dimension dieser finanziellen Verpflichtung als auch der besondere Verwendungszweck der Gelder machen meiner Meinung nach eine stärkere Beteiligung des Parlaments unumgänglich.

Dabei geht es nicht allein um das Budgetrecht des Deutschen Bundestages, sondern auch darum, dass die Tätigkeit des ESM künftig im Blick der Bürgerinnen und Bürger steht. Viel wird deshalb vom ESM abhängen, ob die europäische Integration langfristig gelingen wird. Die bisher von der schwarz-gelben Bundesregierung erkennbar verfolgte Strategie einer „Beteiligung hinter verschlossener Tür“ wird darauf keine Antworten geben können. Im Gegenteil: Die Ängste und Vorbehalte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dieser Politik, für die wir alle in Mitverantwortung genommen werden, werden so nur noch zusätzlich verstärkt. Peer Steinbrück hat darauf unlängst in seiner Plenarrede ausdrücklich hingewiesen. Eine dauerhafte Nicht- oder unzureichende Beteiligung des Parlaments an der Arbeit des ESM kann die Akzeptanz der europäischen Integration in Deutschland nachhaltig und vielleicht auf Dauer beschädigen. Bei der Frage der Parlamentsbeteiligung ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, in welcher Art und Weise der Deutsche Bundestag künftig bei der laufenden Arbeit des ESM eingebunden sein wird. Hält die Bundesregierung aber weiterhin an ihre Weigerung fest, den Bundestag voll umfänglich zu beteiligen, besteht auch die Möglichkeit dieses vom Bundesverfassungsgericht klären zu lassen.

Keine Frage: In Griechenland gibt es zweifellos gravierende Missstände. Die Steuerverwaltung ist zu nachlässig, die Statistiken wurden geschönt und mit öffentlichem Geld ist nicht hinreichend sorgsam umgegangen worden. In Irland hat die Regierung verantwortungslos ein „Zombie“-Bankensystem entstehen lassen (was im Übrigen auch für die deutsche Bundesregierung gilt). In beiden Ländern wurden Unternehmen, Reiche und Superreiche kaum steuerlich zur Kasse gebeten. All das muss sich ändern, aber: Irland, Griechenland oder Portugal trifft nur einen Teil der Schuld. Es ist eben keine Griechenland-, Irland- oder Portugalkrise, sondern es ist eine Krise des EURO, weil sich die Ausgestaltung der europäischen Währungsunion insgesamt als fehlerhaft erwiesen hat. Nicht zuletzt auf Druck der deutschen Bundesregierung, damals unter Kohl/Waigel, ist der EURO falsch konzipiert worden. In der EWU fehlt ein Mechanismus, der in einer gemeinsamen Währungsunion auch für ein Mindestmaß an gemeinsamer politischer Koordination in Fragen von Wirtschaft und Finanzen sorgt. Ohne eine solche Koordination ist aber jede Währungsunion längerfristig zum Scheitern verurteilt.

Gerade die Wirtschaftspolitik Deutschlands hat einen gravierenden Anteil an der Krise der EURO-Zone, denn die Bundesregierung hat durch das Drücken des Lohnniveaus und die Absenkung sozialer Leistungen eine extrem aggressive Exportstrategie gegenüber den anderen europäischen Ländern verfolgt. Deutschland hat seit Einführung des EURO die niedrigsten Lohnzuwächse in der EU und hat das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent verletzt, indem die Lohnzuwächse regelmäßig unter 2 Prozent verblieben. Wenn ein Land ständig Exportüberschüsse erwirtschaftet, zwingt es andere Länder unausweichlich in die Position von Importüberschüssen. Importüberschüsse bedeuten aber nichts anderen, als immer mehr Schulden gegenüber dem Ausland anzuhäufen. So haben z.B. deutsche Rüstungsfirmen mit tatkräftiger Unterstützung der Bundesregierung jahrelang sehr gutes Geld an der gleichzeitigen Hochrüstung der Erzrivalen Griechenland und Türkei verdient.

Verantwortlich für diese gefährliche Entwicklung in Europa ist auch die Bundesregierung: Sie hat kaum etwas unternommen, um das Diktat der Finanzmärkte zu brechen. Stattdessen gibt Kanzlerin Merkel die Zuchtmeisterin der Währungsunion. Griechenland, Portugal, Irland und Spanien haben ihre eiserne Hand zu spüren bekommen. In Portugal lässt sich zurzeit beobachten, wohin das Spardiktat der deutschen Kanzlerin führt: Nachdem die portugiesische Regierung scharfe Einschnitte im Gesundheitswesen, bei den Sozialsystemen und bei Investitionen in die Infrastruktur angekündigt hatte, wurde die Kreditwürdigkeit des Landes um weitere zwei Stufen gesenkt. Damit verteuern sich notwendige Kredite, die Staatsschulden wachsen, der Druck zu noch drastischeren Sozialkürzungen nimmt zu. Dem Land bleibt jetzt nur noch die Flucht unter den Euro-Rettungsschirm.

Mit Blick auf die Finanzmärkte, die wie Mehltau auf der Realwirtschaft lasten, und die Krise des Euro versagt die Bundesregierung in dreierlei Hinsicht. Erstens, sie verweigert sich einer effektiven Regulierung der Finanzmärkte und ihrer radikalen Schrumpfung. DIE LINKE fordert seit Jahren, die Schattenbanken kaltzustellen, Hedgefonds, Spekulationen mit Kreditverbriefungen sowie Geschäftsbeziehungen von Banken mit Filialen in Steueroasen zu verbieten. Und sie setzt sich für eine Finanztransaktionsteuer ein und dafür, dass sich die Geschäftsbanken auf die Dienstleistungsfunktion für die Realwirtschaft konzentrieren. Zweitens opponiert die Regierung gegen die Einführung von Eurobonds und die Gründung einer „Europäischen Bank für öffentliche Anleihen“, wie sie der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert. Diese würde die Krisenländer von Schulden und Zinsen entlasten, ohne dass hierfür eine Änderung der EU-Verträge notwendig wäre. Drittens, die Regierung versagt beim Abbau der volkswirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Euro-Zone. DIE LINKE hingegen fordert, den deutschen und europäischen Binnenmarkt zu stärken und die Ungleichgewichte bei den Vermögen zu beseitigen.

Sehr geehrter Herr Vollmuth, die Rettung der Eurozone gibt es nicht zum Nulltarif. Aber der Zusammenbruch kostet uns weit mehr, weil er unsere Wirtschaft immens schwächen wird. Lassen wir also die Eurozone zerbrechen, werden die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Arbeitsplatzabbau die Hauptleidtragenden sein. Der Schaden für Deutschland wäre kaum abzuschätzen.

mit freundlichen Grüßen

Klaus Ernst

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