Profilbild von Klaus Ernst
Klaus Ernst
BSW
5 %
/ 40 Fragen beantwortet
Frage von Henning L. •

Frage an Klaus Ernst von Henning L. bezüglich Verkehr

Lieber Herr Dr. Ernst

in einem Statement ( http://die-linke.de/nc/presse/presseerklaerungen/detail/zurueck/presseerklaerungen/artikel/bahnchef-darf-nicht-suche-nach-kompromiss-blockieren/ ) äußern Sie, dass Herr Grube für seine Aussagen keine Legitimation besitze.

Wie beurteilen Sie die zahlreichen Parlamentsbeschlüsse auf Landes-, Regional- und Kommunalebene, die zahllosen Gerichtsverfahren etc., in denen das Projekt bestätigt wurde?

Profilbild von Klaus Ernst
Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Lesch,

was nach wie vor in Stuttgart stattfindet, ist der schlichte Gebrauch der für unsere Demokratie konstitutiven Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. In einer Demokratie ist es selbstverständlich, dass die Bürger Entscheidungen ihrer Volksvertreter kritisieren und dagegen protestieren. Denn die Demokratie des Grundgesetzes lebt vom ständigen Wandel. Die Verfassung schützt die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit der Bürger nicht zuletzt deshalb, um einer unbeweglichen Politik bei Bedarf Druck zu machen.

Die deutsche Politik hat mit Milliardenbergen aus Steuergeldern Finanz- und Realindustrie vor dem Kollaps bewahrt. Sie hat der breiten Masse der Menschen mit den Sparpaketen ebenso hohe Einbußen verordnet. Die Demonstranten in Stuttgart wissen: Heute ist nicht die Zeit für milliardenschwere Großprojekte. Es ist vielmehr höchste Eisenbahn, die staatliche Ausgabenpolitik von ihren Gerechtigkeitsmängeln zu befreien. Glitzernde Bahnhöfe erfreuen lediglich die Geschäftspartner und Aktionäre der Bahn. Die ganz breite Masse der Menschen aber hat nichts von der neuen Pracht. Stuttgart ist exemplarisch. Der Protest dort richtet sich auch gegen eine Mehrheitspolitik, die sich stur und gegen Kritik unempfänglich zeigt. Diese Politik lehnt Volksabstimmungen ab. Sie scheut es, den Entscheidungsprozess bis zu den kommenden Wahlen auszusetzen. Sie lädt nur dann zum »Dialog«, wenn es ihr darum geht, den eigenen Standpunkt zu begründen. Sie schafft mit Abriss und Abholzungen Tatsachen, um die Kosten für einen zukünftigen Projektausstieg zu verteuern. Diese Politik fürchtet sich vor dem Volk. Die Verweigerung des Bahnchefs, einen Baustopp zu erwägen, passt in dieses Bild.

Noch viel mehr als vor dem Volk fürchtet sich diese Politik vor der Wirtschaft. Ohne diese Angst wäre es möglich, den Bahnhofsbau zu stoppen und den anspruchsberechtigten Beteiligten Schadenersatz zu zahlen. Das wäre demokratisch und rechtsstaatlich. Wer hingegen – wie Herr Grube – einen Gegensatz zwischen Rechtsstaat und Demokratie zu konstruieren sucht, hat den Sinn unserer Demokratie nicht verstanden. Demokratie bedeutet ständige Veränderung. Das schließt auch die Auswechslung eines Bahnchefs ein.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Ernst

Was möchten Sie wissen von:
Profilbild von Klaus Ernst
Klaus Ernst
BSW