Wie bewerten Sie, dass der Gesetzentwurf zum MedCanG mit § 3 („medizinisch begründet“) faktisch eine neue Strafbarkeit für Ärzt:innen schafft? Werden Sie sich für eine Änderung einsetzen?
Im Referentenentwurf zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes (Kabinettsbeschluss vom 8.10.2025) soll § 3 MedCanG um die Formulierung „wenn seine Anwendung medizinisch begründet ist“ ergänzt werden.
Da § 25 Abs. 1 Nr. 2 MedCanG Verstöße gegen § 3 unter Strafe stellt, würde diese Änderung erstmals dazu führen, dass eine Verschreibung ohne „medizinische Begründung“ strafbar wäre.
Das schafft ein erhebliches Risiko für Ärzt:innen, die Patient:innen mit chronischen Schmerzen oder psychischen Erkrankungen behandeln, und könnte eine Abschreckungswirkung entfalten.
Halten Sie diese Verschärfung für vereinbar mit dem Ziel einer liberaleren, patientenorientierten Cannabispolitik? Wird Ihre Fraktion im Bundestag auf eine Streichung oder Präzisierung dieses Passus drängen?
Sehr geehrter Herr B.,
ein Zurückdrehen des Cannabisgesetzes und ein erschwerter Zugang für Patient*innen zu Cannabis als Medizin ist nicht der richtige Weg. Da seitens der Ärzteschaft noch immer Vorbehalte bei der Verschreibung von Cannabis als Medizin bestehen, ist es nicht sinnvoll, seriösen Ärzt*innen die Verschreibung zu verkomplizieren. Wir teilen Ihre Sorge, dass die nun Frau Warken und anderen Unionspolitiker*innen eingebrachten Forderungen, so auch das Verbot des Versandhandels, erneut zu einer Verschlechterung der Versorgungslage von Cannabis-Patient*innen führen wird. Darüber hinaus stellt die für die Verschreibung notwendige ärztliche Versorgung im ländlichen Raum eine besondere Herausforderung dar.
Grundsätzlich finden wir, wie bereits jetzt Bestandteil der gängigen Praxis, den verpflichtenden persönlichen Erstkontakt mit einer Ärztin oder einem Arzt sowie die regelmäßige Wiedervorstellung richtig. Das weiterhin geltende Kriterium der Austherapiertheit, die vor einer Verschreibung sehr detailliert nachgewiesen werden muss, ist ein Punkt, den wir weiterhin mit Kopfschütteln betrachten und von dem wir uns gewünscht hätten, dass dieser in einem Antrag zur Reform der Regularien rund um Medizinalcannabis einmal angegangen wird. Doch das passiert unter schwarz-rot bisher leider nicht. Wir sehen in den Vorschlägen einen politischen Rückschritt, der unter dem Deckmantel vermeintlichen Missbrauchs auf dem Rücken der Cannabis-Patient*innen ausgetragen wird.
Aus unserer Sicht braucht es zweierlei: eine nüchterne, evidenzbasierte Diskussion zur Verschreibungs- und Versorgungspraxis von verschreibungspflichtigen Medikamenten jeglicher Art sowie vor allem eine Stärkung der Versorgungsstrukturen.
Statt die Telemedizin einzuschränken, sollte der Fokus auf der Verbesserung der Versorgung liegen – ohne Patient*innen pauschal unter Generalverdacht zu stellen oder ihnen den Zugang zu legitimer Therapie zu erschweren. Daher werden wir das Thema weiterhin kritisch begleiten und setzen uns für eine realitätsnahe, patientenorientierte Politik beim Thema Medizinalcannabis ein.
Im Übrigen braucht es legale Zugangsmöglichkeiten für Erwachsene zu nicht medizinischem Cannabis, um den Schwarzmarkt auszutrocknen und Risikominimierung sowie den Gesundheitsschutz in der Vordergrund zu stellen. Unser Ansatz dafür sind Cannabisfachgeschäfte.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Kappert-Gonther

