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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Dr.med.Richard H. •

Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Dr.med.Richard H. bezüglich Frauen

Werden Sie im nächsten Bundestag, wenn es zur Abstimmung über das "Nordische Modell" kommt ( Bestrafung der Freier, Straffreiheit für die Prostituierten und Ausstiegshilfen, sowie Aufklärung der Öffentlichkeit über die Schädlichkeit der Prostitution als Menschenrechts- u. Menschenwürdeverletzung Art.1 GG ) , für das "NORDISCHE MODELL stimmen ?
Mit freundlichen Menschenrechte und Menschenwürde Art 1 GG achtenden Grüßen Dr. med. Richard Heil

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Heil,

vielen Dank für Ihre Frage. Wir Grüne wollen das Prostitutionsgesetz weiterentwickeln und mehr Angebote und Kontrollen für bessere Arbeitssicherheit und Schutz vor Ausbeutung einführen. Ein Zurück in die Sittenwidrigkeit und Kriminalität lehnen wir ab. Es gibt keine Belege dafür, dass Repressionen und Kriminalisierung Prostitution verhindern. Ein Verbot der Prostitution lässt diese nicht verschwinden, wie Erfahrungen aus Schweden zeigen. Prostitution würde verlagert, weniger sichtbar, wodurch Prostituierte weniger geschützt werden können. Deshalb lehnen wir ein Prostitutionsverbot ab.

Unser Ziel ist es, die Rechte der Prostituierten zu stärken. In einem eigenen Prostitutionsstättengesetz sehen wir die Regulierung am besten umsetzbar. Durch die Regulierung der Prostitutionsstätten als Gewerbebetriebe erreichen wir bessere Kontrollmöglichkeiten. Die Gewerbeämter hätten jederzeit Zutritt zu den Prostitutionsstätten. Bisher können Prostitutionsstätten ohne Erlaubnis betrieben werden. Daher wollen wir eine Genehmigungspflicht (bzw. Erlaubnispflicht) für Prostitutionsstätten einführen. Diese soll Schutzregelungen für die Prostituierten und die Verpflichtung zu einem Geschäftsplan und Dokumentationspflichten, mit denen ausbeuterische Geschäftsmodelle erkannt und unterbunden werden können enthalten und eine Überprüfung der Bordellbetreibenden einschließen.

Auch der Zugang für selbständige Prostituierte zur Kranken- und Rentenversicherung muss verbessert werden. Ein Instrument dafür ist die Bürgerversicherung. Gerade bei geringen Einkommen und hohen Kosten in der Kranken- und Rentenversicherung fallen Prostituierte als Soloselbständige nicht selten aus den sozialen Sicherungssystemen und sind in der Folge existentiell stärker gefährdet. Zudem sind deutlich verbesserte Investitionen in niedrigschwellige, mehrsprachige Beratungs- und Hilfsangebote erforderlich, denn nur durch ein ausgebautes Beratungsangebot können wir den Schutz der Prostituierten verbessern und Ausbeutungsrisiken eindämmen. Wir brauchen verstärkt aufsuchende Beratung vor Ort, die Informationen über die Rechtslage sowie gesundheitliche oder psychologische Hilfe vermittelt. Ein solches Angebot ist für uns die zentrale Maßnahme, um Prostituierte zu erreichen.

Eine Meldepflicht für Prostituierte beim Gewerbeamt lehnen wir ab, da viele Prostituierte Sorge um die Wahrung ihrer Anonymität haben. Denn immer noch ist eine Tätigkeit in der Prostitution hoch stigmatisiert. Daher befürchten wir, dass sie bei der Entscheidung zwischen "Outing" oder "Illegalität" am Ende doch wieder in die Illegalität gedrängt werden. Gesundheitsuntersuchungen müssen dem Zweck dienen, Krankheiten zu vermeiden, frühzeitig zu erkennen, vor allem aber freiwillige Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung zur Verfügung zu stellen, auch in den Prostitutionsstätten. Verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen sind nicht der richtige Weg, um den Kontakt zu deutschen Behörden herzustellen. Die Gefahr, dass Prostituierte, die einer Untersuchungspflicht nicht nachkommen, abtauchen und dann unerreichbar für Unterstützungsangebote werden, ist gleichzeitig hoch. Bewährt hat sich Prävention durch Aufklärung. Das ist auch eine Erfahrung im Umgang mit HIV/Aids. Kommunale Anlaufstellen für freiwillige Gesundheitsuntersuchungen werden ebenfalls vermehrt aufgesucht und sollten gestärkt werden. Dabei möchten wir positive Anreize setzen, um freiwillige Gesundheitsuntersuchungen für Prostituierte attraktiver zu machen und dadurch auch einen niedrigschwelligen Zugang zu weiteren Beratungsstellen zu ermöglichen.

Zusammengefasst: Wir Grüne wollen einen umfangreichen Schutz für Prostituierte unter Wahrung ihrer Selbstbestimmungsrechte erreichen.

Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Kappert-Gonther

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