Kerstin Tack
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Frage von Ulla S. •

Frage an Kerstin Tack von Ulla S. bezüglich Recht

Sehr geehrt Frau Tack,

ist es nicht so, dass in Deutschland Ersatzfreiheitsstrafen verhängt werden, nur weil ein(e) Verurteilte_r seine Geldstrafe nicht bezahlen konnte?
Oder weil jemand schwarz Bahn gefahren ist o.ä. Ich sende Ihnen diesen Link mit, in dem Sie sehen, dass sogar eine sage und schreibe 87 Jahre alte Frau wegen schwarzfahrens vor Gericht und in U-Haft kam:

http://www.abendblatt.de/vermischtes/article123122842/87-jaehrige-Schwarzfahrerin-nach-U-Haft-wieder-frei.html

Bei vielen Menschen die Probleme mit der Justiz bekommen, liegen Probleme vor. Warum hilft der Staat Menschen mit Problemen nicht besser und warum gibt es für solche Taten keine andere Bestrafung als ggf. Gefängnis? Eine Freiheitsstrafe sollte doch nur im Notfall verhängt werden, oder wie sehen Sie das?

Herr Hoeneß hinterzog 18,5 Mio. Steuern und ist laut eigener Angabe kein " Sozialschmarotzer". Zumindest der Kommentator dieses Kommentars sieht das anders:

http://www.ksta.de/debatte/-hoeness-prozess-sozialschmarotzer-was-sonst-,15188012,26517042.html

Warum also diese Zweiteilung von Strafrecht und Steuerrecht? Wenn jemand reumütig ist, geht er m.W. im Strafrecht dennoch nicht automatisch straffrei aus.
Und selbst unter den einzelnen Steuerhinterzieher können Selbstanzeigen zu Ungleichbehandlungen führen, z.B. wenn jemand einfach kein Geld mehr hat, um die Steuerschuld nachzubezahlen und um sich ggf. einen guten Anwalt zu nehmen.Warum also die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht?

Warum bietet man Ersttätern, Menschen in Not, nicht generall an, ohne Gefängnisstrafe Ihre Situation zu ändern?
Aus meiner Sicht, müsste man zwischen Kapitalverbrechen/ finanziellen Delikte und Körperverletzungen usw. strikter unterscheiden.
Denn viele finanzielle Machenschaften wie z.B. Spekulationen auf Lebensmittel u.ä. werden m.W. bisher auch nicht bestraft.
Können Sie meinem Vorschlag zustimmen?

Mit freundlichen Grüßen

Ulla Schwarzer

Kerstin Tack
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schwarzer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.

Ich denke, dass wir in Deutschland ein gutes Rechts- und Strafsystem haben und teile Ihre Kritik daran nicht.
Bei Menschen, die zum ersten Mal vor Gericht stehen und nur eine geringe Straftat begangen haben, wird in der Regel eine Geldstrafe verhängt, die auch der finanziellen Leistungsfähigkeit des- oder derjenigen angepasst ist. Diese Strafe wird nach sogenannten „Tagessätzen“ berechnet, d.h. das monatliche Nettoeinkommen wird durch 30 geteilt, um die Höhe eines Tagessatzes zu ermitteln. Zu wie vielen Tagessätzen verurteilt wird, richtet sich nach der Schwere der Tat.

Wenn jemand diese Geldstrafe nicht bezahlt, kann das Gericht Ersatzfreiheitsstrafe anordnen, dabei gilt: ein Tagessatz ist ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Diese Ersatzfreiheitsstrafen werden aber nur dann verhängt, wenn mehrfach nicht gezahlt wurde. Durch Zahlung kann aber eine Gefängnisstrafe immer abgewendet werden.
Sicher ist es nicht optimal, wenn zu viele Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, weil sie die gegen sie festgesetzte Geldstrafe nicht bezahlen können, aber der Staat braucht auch eine Handhabe zur Vollstreckung der Strafen.

Im Jugendrecht gibt es bereits die Möglichkeit Strafen auch durch Sozialleistungen abzugelten, ob dies auch für Bagatellfälle bei Erwachsenen gelten sollte, ist in meiner Fraktion noch nicht diskutiert worden.

Recht gebe ich Ihnen bei der Frage der Strafen bei Selbstanzeigen für Steuervergehen (der Fall Hoeneß ist ja nun geklärt), hier plädiere ich für eine Verschärfung und die Abschaffung der Verjährung bei Steuerstrafen. Auch eine bessere Zusammenarbeit der Steuerbehörden in Europa und die Schließung von Steuerschlupflöchern ist nach meiner Ansicht nötig.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Tack