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Katja Keul
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Frage von Tim G. •

Frage an Katja Keul von Tim G. bezüglich Bundestag

Sehr geehrte Frau Keul,
ich hätte eine Frage an Sie als Rechtspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion:
Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat heute ein Urteil verkündet, wonach die Regierung des Landes die verfassungsmäßigen Rechte des Landtages in der Corona-Bekämpfung erheblich verletzt hat. (siehe https://staatsgerichtshof.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/verkundung-einer-entscheidung-im-organstreitverfahren-stgh-3-20-198142.html). Die Entscheidung geht auf eine Klage der FDP und der (ebenfalls oppositionellen) Grünen zurück.
Teilen die Grünen im Bundestag die Auffassung von FDP und Linken (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-dietmar-bartsch-und-christian-lindner-fordern-mehr-beteiligung-des-parlaments-a-f83062b3-564c-437b-ac89-5d4071b5dcb8), dass auch auf Bundesebene eine bessere Beteiligung des Parlaments nöttig wäre? Trifft es zu, dass die Grünen im Bundestag die diesbezüglichen Initiativen der anderen demokratischen Oppositionsparteien (also von FDP und Linken) in dieser Richtung bislang nicht unterstützen und wenn ja, warum nicht? Wie ist Ihre persönliche Haltung dazu? Finden Sie es richtig, dass alle diese Maßnahmen von Bundes- und Landesregierungen beschlossen werden, ohne dass die Parlamente als die einzig gewählten und legitimen Vertretungen des Volkes als eigentlichem Souverän an der Debatte vorab auch nur ansatzweise beteiligt werden?
Bleibt die Bundesrepublik damit nicht deutlich hinter Ländern wie Ungarn zurück, wo die Corna-Maßnahmen und diesbezügliche Regierungsbefugnisse vom Parlament beschlossen und von diesem auch wieder beendet wurden?
Müsste man Deutschland wegen solcher Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nach dem krüzlich beschlossenen Rechtsstaatsmechanismus des EU-Haushalts nicht die Mittel entziehen?
Mit freundlichen Grüßen
Tim Gerber

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gerber,

wir haben von Anfang an auf die verfassungsrechtlichen Probleme des Infektionsschutzgesetzes hingewiesen und konnten letztes Jahr zumindest eine Befristung bis zum 31.03.21 durchsetzen.
Wie befürchtet hat die große Koalition nun mehr die Entfristung dieser überbordenden Verordnungsermächtigungen beschlossen.
Wir Grüne habe dagegen gestimmt und mit unserem Entschließungsantrag deutlich gemacht, wo wir die Versäumnisse sehen und was die Bundesregierung längst hätte auf den Weg bringen müssen.
Hier finden Sie unseren aktuellen Antrag, indem wir unter Punkt 2 für die zum 31. März 2021 auslaufenden gesetzlichen Regelungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) einen Gesetzentwurf fordern, der den Anforderungen von Demokratie- und Rechtstaatsgebot genügt und folgende Elemente enthält:
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/269/1926982.pdf
Bereits im Februar hatten wir im Parlament einen Stufenplan gefordert: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/265/1926530.pdf

Uneinigkeit mit der FDP und der Linken gab es in der Tat, ob in Anbetracht der hohen Inzidenzwerte Ende Januar eine Sondersitzung der zuständigen Ausschüsse ( Gesundheit und Wirtschaft) oder eine Sondersitzung des gesamten Plenums erforderlich war. Wir Grüne hatten wir uns gegen die Anreise von über 700 Abgeordneten für eine zweistündige Debatte zwischen zwei Sitzungswochen entschieden und stattdessen die Sondersitzung der Ausschüsse beantragt. In der Woche drauf folgte dann unmittelbar die Plenarbefassung und die Debatte zur Regierungserklärung.
Die verfassungsrechtliche Funktion parlamentarischer Kontrolle wird nicht allein durch öffentliche Reden ausgefüllt, sondern vielmehr durch frühzeitige Information und durch die Entscheidungskompetenz bei allen wesentlichen Regulierungen. Dafür haben meine Fraktion und ich seit Beginn der Pandemie auf allen Ebene gestritten.

Im übrigen halte ich Ungarn ist Positivbeispiel für parlamentarische Beteiligung für denkbar ungeeignet. Das Parlament ist dort quasi entmachtet, die Opposition und kritische Stimmen sind mundtot gemacht worden. Vielmehr nutzt der Regierungschef die Krise, um den Rechtsstaat zu untergraben.

Unsere niedersächsische Landtagsfraktion hat ihre parlamentarischen Rechte kürzlich erfolgreich vor dem Staatsgerichtshof Bückeburg eingeklagt.
Über das Urteil und dessen Folgen diskutiere ich am Freitag, den 12. März mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der niedersächsischen Grünen, Helge Limburg und Professor Frauke Brosius-Gersdorf, von der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover, wozu ich Sie und alle Interessierte herzlich einlade.

Sie können die Veranstaltung via LiveStream (https://youtu.be/gHuWiMqNE2Q ) oder als Teilnehmer über Anmeldung in meinem Wahlkreisbüro (mailto:katja.keul.wk@bundestag.de) verfolgen.

Mit freundlichen Grüßen
Katja Keul

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