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Katja Dörner
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Frage von Wilhelm B. •

Frage an Katja Dörner von Wilhelm B. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dörner,

m.W. soll der Bundestag am kommenden Freitag darüber entscheiden, ob weitere Milliarden an Steuergeldern durch die derzeitige Bundesregierung veruntreut werden.

Einige MdB (z.B. Wolfgang Bosbach) sind zwischenzeitlich so ehrlich und mutig, zuzugeben, dass die bisherigen und künftigen Zahlungen der Steuerzahler unwiderruflich verloren sind. Das trotz dieses Wissens die Mehrheit der MdB weiteren Zahlungen und damit der Vergeudung von Steuergeldern zustimmt, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Bitte lassen Sie mich wissen, wie Sie als Vertreterin der Bonner Bürger entscheiden werden.
M.f.G.

Wilhelm Book

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Book,

vielen Dank für ihre Frage, bitte entschuldigen Sie die späte Antwort.

Aus meiner Sicht müssen wir Griechenland unbedingt unterstützen, Wirtschaft, Staat und Verwaltung zu reformieren. Da sind noch einige Reformschritte zu tun. Insofern ist Ihre Sorge natürlich in Teilen auch berechtigt. Aber dennoch verkennt Ihre Frage, dass das Geld nicht wirklich in den griechischen Staatshaushalt fließt, sondern im Wesentlichen dazu dient, auslaufende Schulden zu refinanzieren. Und sie verkennt auch, dass Griechenland bereits große Reformfortschritte gemacht hat.

Der wichtigste Grund für den Eindruck, dass es sich um ein Fass ohne Boden handelt ist: Die bisherigen Programme haben zu einseitig auf Sparen gesetzt. Dadurch ist die Wirtschaft eingebrochen und hat sich wesentlich schlechter entwickelt als beim Aufsetzen des Programmes vorgesehen war. So braucht Griechenland länger, bis es wieder an den privaten Kapitalmarkt zurückkehren kann, um öffentliche Schulden durch private zu refinanzieren.

Sowohl für Griechenland als auch für uns und den Rest Europas ist ein Verbleib Griechenlands im Euro ökonomisch sinnvoller. Aber damit Griechenland wieder auf eigene Beine kommt, müssen die richtigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Reformen umgesetzt werden. Milliarden an Ölimporten jedes Jahr sollten durch Erneuerbare Energien ersetzt werden, die im Land selbst Arbeit schaffen und den Haushalt entlasten. Reiche Griechen sollen endlich ihren fairen Anteil leisten, da hat auch die linke SYRIZA-Regierung bei weitem noch nicht genug gemacht. Sinnvoll kann dabei z.B. eine Kooperation zwischen Steuerbehörden sein, wie sie zwischen der Steuerverwaltung in Nordrhein-Westfalen und Griechenland stattfindet, um Schwarzgeld im Ausland wirksam aufzuspüren.

Die harte Sparpolitik der letzten Jahre wurde in Griechenland besonders ungerecht umgesetzt und hat zu schweren sozialen Verwerfungen geführt. Das alles unter Aufsicht der Troika. Anders als in den baltischen Staaten hat die Politik hohe Einkommen und Renten im öffentlichen Dienst viel stärker geschont als niedrige Einkommen und Renten. Die Mittelschicht wurde durch Steuererhöhungen hart getroffen, während diejenigen mit sehr großen Vermögen weiterhin keine großen Abgaben auf Eigentum und Vermögen leisten. Zudem wurden viele wichtige Maßnahmen zur Linderung der sozialen Härten nicht umgesetzt, was zu einer katastrophalen Zuständen mit steigenden Selbstmord-, Depressions- und Kindersterblichkeitsraten sowie einer dramatischen Einschränkung der Gesundheitsversorgung geführt hat. Erst jetzt wird begonnen, eine ärztliche Primärversorgung einzuführen. In Griechenland gab es schon vor der Krise keinerlei soziale Grundsicherung, aber im Gegensatz etwa zum Krisenland Zypern war es hier nicht Teil der Vereinbarungen zwischen nationaler Regierung und Euro-Gruppe, eine solche Grundsicherung aufgrund der akuten Not und der weiteren Sparmaßnahmen einzuführen. Das muss sich jetzt ändern.

Zu einem wirksamen Reformkurs gehört, dass die griechische Regierung neue, nachhaltige Wege der Haushaltskonsolidierung geht. Dringend notwendige Strukturreformen müssen dafür auch gegen einflussreiche Klientelgruppen umgesetzt werden. Aus unserer Sicht ist es deshalb notwendig, die Steuerverwaltung deutlich effizienter zu machen, um Steuervermeidung und -hinterziehung bekämpfen zu können. Griechische Bürgerinnen und Bürger, die trotz eines großen Vermögens bislang keinen fairen Beitrag zum Gemeinwesen geleistet haben, müssen endlich durch eine gerechte Besteuerung am Aufbau des Landes beteiligt werden. Außerdem sollte die Regierung die immer noch weit verbreitete Korruption entschlossen bekämpfen. Die ersten Erfolge der Tsipras-Regierung brauchen noch mehr Nachdruck. Wir sehen sie auch in der Pflicht, Maßnahmen gegen Armut und Arbeitslosigkeit zu ergreifen und Reformen zur Effizienzsteigerung in der Verwaltung und mehr Rechtsstaatlichkeit umzusetzen. Derartige Maßnahmen stärken ein Land auch als Investitionsstandort. Außerdem muss in Griechenland das Problem der Banken angegangen werden, die ein Übermaß an faulen Krediten in ihren Bilanzen haben und vollständig von der EZB abhängig sind. Die griechischen Banken müssen durch Kreditvergabe in den Realsektor wieder eine von nachhaltigen Investitionen getragene wirtschaftliche Erholung ermöglichen können. Dazu braucht eine Rekapitalisierung.

Zur Stärkung dieser richtigen Reformen fordern wir europäische Investitionen. Dafür bedarf es jedoch sinnvoller Projektvorschläge der griechischen Regierung auf unterschiedlichen Ebenen. Griechenland hat enormes Investitionspotenzial, beispielsweise im Ausbau Erneuerbarer Energien, der Software-Branche, in nachhaltiger Landwirtschaft und im Ökologischen und sozial-orientierten Tourismus.

Freundliche Grüße
Katja Dörner