Frage von Heiko Z. •

Wie werden Sie sich für unsere völkerrechtliche Verpflichtung zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung einsetzen?

Deutschland trägt als Vertragsstaat der Genfer Konventionen, als Mitglied der Europäischen Union und als historisch besonders verpflichteter Akteur eine besondere Verantwortung, das Völkerrecht nicht nur zu achten, sondern auch aktiv durchzusetzen.

Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Breaking the Silence, B'Tselem, Human Rights Watch und Ärzte ohne Grenzen, der Internationale Gerichtshof sowie die Vereinten Nationen haben wiederholt auf systematische Verletzungen des humanitären Völkerrechts hingewiesen – darunter gezielte Angriffe auf Zivilisten, die Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur sowie die Verweigerung humanitärer Hilfe.

Portrait von Katharina Dröge
Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lieber Herr. Z.

vielen Dank für Ihre Nachricht!

Die Grüne Bundestagsfraktion steht fest zu den Menschenrechten, dem humanitären Völkerrecht und den darin verankerten humanitären Prinzipien. Danach hat Israel ein Recht auf Selbstverteidigung nur im Rahmen der Vorgaben, die das Völkerrecht vorsieht. Die Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur, v.a. Krankenhäuser oder Schulen, sind unter allen Umständen zu schützen. Dieser Grundsatz wurde in den vergangenen Monaten leider zu oft missachtet. Zu viele unschuldige Menschen sind beim Gegenschlag Israels im Gazastreifen gestorben oder schwer verletzt worden. Die humanitäre Lage der in Gaza leidenden und festsitzenden Zivilbevölkerung hat sich durch die Kriegsführung Israels zunehmend verschärft. Ein Kriegsziel und ein politischer Horizont für einen langfristigen Frieden sind beim Vorgehen der aktuellen israelischen Regierung dabei schwer zu erkennen. Auch die neue Militäroffensive wird die dramatische Lage für die Zivilbevölkerung voraussichtlich weiter verschlechtern. 

Seit über zwei Monaten lässt das israelische Militär keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen zu. Es fehlt an Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten. Die Bilder der ausgehungerten Menschen – unter ihnen viele Kinder – erschüttern auch uns in der Grünen Bundestagsfraktion zutiefst. Wir begrüßen daher die grundsätzliche Entscheidung der israelischen Regierung, Hilfsorganisationen den Zugang zum Gazastreifen für die Lieferung humanitärer Güter wieder zu ermöglichen. Zugleich fordern wir sie nachdrücklich auf, dieser Ankündigung rasch konkrete Schritte folgen zu lassen, damit die Menschen in Gaza tatsächlich sicheren und verlässlichen Zugang zu dringend benötigter Hilfe erhalten.

Wir Grüne setzen uns daher gemeinsam mit internationalen Partnern mit Nachdruck für einen besseren humanitären Zugang nach Gaza ein. Wir verurteilen auch die Stigmatisierung von UNRWA, die wir finanziell und von ihrer grundlegenden Mission her auch gegen Widerstand unterstützt haben, da ihre Arbeit in dieser extremen Notlage unentbehrlich für die Menschen ist. Gleichzeitig fordern wir seit Beginn des Konflikts humanitäre Waffenruhen und lehnen alle Vorschläge zur Umsiedlung oder Vertreibung von Palästinenser*innen, die aus einigen israelischen Kreisen wie aus der US-Regierung kommen, als groben Verstoß gegen das Völkerrecht ab.

Rüstungsexporte aus Deutschland nach Israel müssen in jedem Einzelfall kritisch vor dem Hintergrund der Einhaltung des humanitären Völkerrechts geprüft werden. Dafür setzen wir uns ein. Darüber hinaus muss überprüft werden, ob Israel weiterhin die Grundprinzipien des EU-Israel-Assoziierungsabkommens einhält. Gemäß Artikel 2 dieses völkerrechtlichen Vertrages basiert die Beziehung der Vertragsparteien auf der Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie.

Die Ereignisse in Israel und im Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023 haben auf beiden Seiten des Konflikts traumatische Spuren hinterlassen und stellen eine Zäsur im politischen Nahen Osten dar. Wir sind jedoch überzeugt, dass es jetzt eine tragfähige Zukunftsperspektive braucht. Im ersten Schritt müssen, im Einklang mit den Menschenrechten und dem Völkerrecht, der Wiederaufbau des Gazastreifens sowie die Rückkehr der verbleibenden israelischen Geiseln ermöglicht werden. Im zweiten Schritt muss ein langfristiger Frieden erreicht werden. Die Bundesregierung sollte dabei die G7-Prinzipien bekräftigen, das heißt keine Vertreibung, keine Besatzung, keine territoriale Verkleinerung sowie keine Entscheidung über die Zukunft Gazas ohne die Palästinenser.

Für uns Grüne im Bundestag ist klar: Die Sicherheit von Israelis und Palästinenser:innen ist untrennbar miteinander verbunden. Wir sind die Kraft im Bundestag, die sich am entschiedensten für eine Zwei-Staaten-Lösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 einsetzt – als Ergebnis eines internationalen Friedensprozesses und im Rahmen einer gemeinsam verhandelten Lösung beider Seiten. Nur eine politische Lösung mit zwei lebensfähigen und friedlich koexistierenden Staaten kann den Menschen in Israel wie in den palästinensischen Gebieten langfristig ein Leben in Frieden, Würde und mit gleichen Rechten ermöglichen. Wir kritisieren aufs schärfte einseitige Maßnahmen wie die Annexion von besetzten Gebieten, den fortschreitenden völkerrechtswidrigen Siedlungsbau oder die illegale Enteignung von Wohnungen in Ost-Jerusalem und im Westjordanland. 

Wenn Sie unsere Pressestatements in den vergangenen Monaten verfolgt haben, werden Sie feststellen, dass wir mit scharfen Worten die Politik der radikal rechtsgerichteten Regierung unter Benjamin Netanjahu kritisiert haben. Sie hat das Land innenpolitisch zerrissen und außenpolitisch vor riesige Herausforderungen gestellt. Auf dem steinigen Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung unterstützen wir daher auch zivilgesellschaftliche Friedensdialogarbeit von Israelis und Palästinenser*innen gegen den aktuellen Strom der Radikalisierung und des beispiellosen Hasses auf allen Seiten.

Viele Grüße

Team Dröge

 

 

 

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