Wie rechtfertigen Sie persönlich Waffenexporte an Länder, gegen die glaubwürdige Berichte über Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen vorliegen?
Deutschland ist völkerrechtlich, europarechtlich und national verpflichtet, keine Waffen an Staaten zu liefern, wenn ein ernsthaftes Risiko besteht, dass diese für Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden. Das ergibt sich u. a. aus der Genfer Konvention IV, dem Römischen Statut des ICC, der UN-Charta sowie dem EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP. Auch das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz (§6 KWKG) und das Außenwirtschaftsgesetz (§3 AWG) verbieten Exporte bei drohenden Verstößen gegen das Völkerrecht. Dokumentierte Fälle wie Blockaden mit humanitären Folgen, gezielte Angriffe auf zivile Infrastruktur, Vertreibungen in besetzten Gebieten und die Behinderung humanitärer Hilfe erfüllen die Kriterien schwerwiegender Verstöße. Dennoch werden aus Solidarität potenziell rechtswidrige Waffenlieferungen genehmigt, doch das ist keine Solidarität, sondern Mitverantwortung. Wie kann das gerechtfertigt werden?
Sehr geehrte Frau O.,
danke für Ihre Frage. Da Sie sich auf meine Aufgaben als Bundestagspräsidentin beziehen, antworte ich Ihnen nicht in meiner Funktion als Abgeordnete, sondern als Vertreterin des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag und der Gesamtheit seiner Mitglieder sowie dank der Zuarbeit der Bundestagsverwaltung.
Die Rüstungsexportkontrolle obliegt nicht mir als Bundestagspräsidentin, auch nicht dem Deutschen Bundestag, sondern der Bundesregierung. Dies steht in Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“
Die Entscheidung, ob und wann welche Waffen wohin exportiert werden dürfen, obliegt damit der Bundesregierung. In der Praxis bestimmt darüber der Bundessicherheitsrat, ein geheim tagendes Gremium unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers.
2014 entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, wie der Deutsche Bundestag über Rüstungsexporte zu informieren ist. Danach ist die Bundesregierung grundsätzlich verpflichtet, Bundestagsabgeordneten auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, ob der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt oder abgelehnt hat. Darüber hinaus gehende Informationen, etwa zu den Gründen der Entscheidung, sind nach dem Urteil verfassungsrechtlich nicht geboten.
Insofern verweise ich Sie mit Ihrer Anfrage an die zuständigen Stellen der Bundesregierung – an das Bundeskanzleramt sowie an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir als seiner Präsidentin Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de
Herzliche Grüße
Julia Klöckner