Warum gibt es keine vergleichbaren öffentliche Ehrungen jedes Jahr für den Arbeiter Georg Elser, wie für die adligen Attentäter um Graf Stauffenberg?
Sehr geehrte Frau Klöckner, müßte nicht der Arbeiter Georg Elser ähnlich geehrt und vielleicht sogar viel mehr geehrt werden ,wie die Attentäter um Graf Stauffenberg. Schließlich war dem Tischler Georg Elser schon 1939 bewußt das Deutschland und die Welt auf eine Katastrophe zusteuert. Die adligen Offiziere waren da noch bereit für Deutschland zu kämpfen. Am 8. November sollte der Bundestag dem tapferen Tischler deshalb ebenso gedenken!
Sehr geehrter Herr G.,
danke für Ihre Anfrage per www.abgeordnetenwatch.de vom 20. Juli 2025 und die Anregung, Johann Georg Elser anlässlich des Jahrestags seines Sprengstoffattentats auf Adolf Hitler am
8. November 1939 durch eine Gedenkfeier im Deutschen Bundestag zu würdigen.
Die von Ihnen beklagte mangelnde Wertschätzung für Georg Elser und seine Tat trifft sicherlich auf die ersten Jahrzehnte in der öffentlichen Erinnerung der Bundesrepublik (wie auch der DDR) zu und ist wohl vor allem auf die frühe Legendenbildung zum Attentat zurückzuführen: Von den Nationalsozialisten wurde der Anschlag als angeblicher Plan des britischen Geheimdienstes bezeichnet, in Widerstandskreisen wurde dagegen eine „Propagandaaktion" des NS-Regimes vermutet, um den Mythos des von der Vorsehung geschützten „Führers" zu stützen, — ein Gerücht, das sich bis in die Nachkriegszeit hielt.
Die Alleintäterschaft Elsers konnte erst durch die historische Forschung in den späten 1960er Jahren zweifelsfrei belegt werden. Entsprechend setzte sich auch erst mit einiger Verzögerung in der Öffentlichkeit ein verändertes Bewusstsein zu Elsers Person und Handeln durch. Eine wichtige Rolle spielten hierbei zivilgesellschaftliche Akteure wie der 1988 in Heidenheim gegründete Georg-Elser-Arbeitskreis oder die seit 1998 bestehende Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn.
Auf der Ebene der Bundespolitik fand in dieser Zeit der Widerstand Georg Elsers eine offizielle Erwähnung: So erinnerte Bundeskanzler Helmut Kohl an Elser 1983 in seiner Rede anlässlich der zentralen Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des 20. Juli 1944 sowie in weiteren Reden zum Widerstand in den Jahren 1984 und 1994. Auch im Rahmen der im Deutschen Bundestag stattfindenden Gedenkstunden, wie etwa bei der Rede des Bundespräsidenten Johannes Rau am 27. Januar 2001, wurde Elsers Leistung explizit in einer Reihe mit anderen prominenten Widerstandskämpfern wie z.B. den Mitgliedern der Weißen Rose als Mahnung für Zivilcourage, Gewissensfreiheit und das Aufstehen gegen Diktatur und Unrecht gewürdigt. In jüngerer Zeit sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 4. November 2019 bei der Einweihung eines Denkmals für Georg Elser in Hermaringen zu Ehren des Widerstandskämpfers.
Die historische Bedeutung Johann Georg Elsers als eines herausragenden Repräsentanten des deutschen Widerstands gegen den Nationalsozialismus kann somit nicht überschätzt werden. Sein ehrendes Angedenken bleibt eine Aufgabe, die nicht nur an das konkrete Datum des
8. November gebunden ist, sondern die es als Form des aktiven Erinnerns in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder zu erneuern gilt. Die vielfältigen Gedenkformen, die Elser mittlerweile in der gesamten Bundesrepublik gewidmet sind, wie etwa Straßenbenennungen, Denkmale, Preisstiftungen o.ä., zeigen vorbildlich, wie man sein Vermächtnis würdigen und die Erinnerung an ihn auf Dauer in der Gesellschaft verankern kann.
Mit freundlichen Grüßen
Julia Klöckner