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Jürgen Trittin
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Frage von Michael Katzschmann, D. •

Frage an Jürgen Trittin von Michael Katzschmann, D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Betr.: Frage zum NATO Einsatz in Lybien
Ihre Antwort vom 8.6.2012:

Sehr geehrter Herr Trittin,

Sie schreiben wörtlich: "So richtig die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates zu Libyen war, so fatal war es, dass dieses UN-Mandat durch die NATO-Staaten überdehnt wurde. (...)"
Ob diese Resolution richtig oder falsch war, mag müssen Sie selbst mit Ihrem Gewissen vereinbaren. Sie erkennen aber (an) - und das ehr Sie, dass hier überzogene Maßnahmen ergriffen und durchgeführt wurden.
Mich würde nun interessieren - und ich zitiere Sie weiter: "Notwendig ist zudem eine gerichtliche Aufarbeitung der Verbrechen während der Kämpfe in den vergangenen Monaten, egal, von wem sie begangen wurden." - ob dies gleichermaßen für die NATO-Luftangriffe gilt, die unter der Zivilbevölkerung unbeschreibliches Leid verursacht und ein prosperierendes Land - in dieser Region eine Seltenheit - in die Steinzeit gebombt haben. Hier böte sich wie üblich der IStGH an, auch wenn die USA als Initiator leider nicht unter dessen Jurisdiktion fallen.

MfG
Dr. M. Katzschmann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Dr. Katzschmann,

vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Zunächst möchte ich vorwegschicken, dass der Einsatz militärischer Gewalt leider nahezu nie möglich sein wird, ohne dass Menschen verletzt oder sogar getötet werden. Deshalb muss eine militärische Intervention auch immer ultima ratio bleiben. Es muss alles getan werden, um unschuldige Opfer zu vermeiden. Dazu gehört auch eine Untersuchung der Fälle, in denen das geschehen ist und eben auch, dass aus solchen Militäreinsätzen Lehren gezogen werden.

Darüber darf man aber nicht die vielen Menschen vergessen, die Opfer der Gewalt des libyschen Diktators Gaddafi oder der libyschen Rebellen geworden sind. Hierauf zielte meine Äußerung ab. Allein die NATO für zivile Opfer verantwortlich zu machen, wird der tatsächlichen Lage in Libyen nicht gerecht. Die internationale Gemeinschaft stand damals vor einer schwierigen Entscheidung; das Leben tausender unschuldiger Menschen in Bengasi stand unmittelbar auf dem Spiel. Deshalb war es richtig, dass der UN-Sicherheitsrat gehandelt hat. Gleichwohl sind die möglichen Maßnahmen, die die internationale Gemeinschaft kurzfristig ergreifen kann, limitiert und oft nur begrenzt wirksam. Gerade militärische Maßnahmen sind und bleiben problematisch, wenn auch manchmal notwendig. Die Überdehnung des UN-Mandats hat aber mit Sicherheit nicht zu einer stärkeren Legitimierung des internationalen Konzepts der Schutzverantwortung beigetragen.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin