Portrait von Johannes Wiegelmann
Johannes Wiegelmann
CDU
100 %
/ 6 Fragen beantwortet
Zum Profil
Frage von Maria G. •

Werden Sie Frau Brosius-Gersdorf wählen, wenn sie weiter zur Wahl steht?

Sehr geehrter Herr Wiegelmann,
die verpatzte Wahl einer Richterin für das BVerfG hat grundsätzliche Fragen zu Parteipositionen und ihrem Verhältnis zum Rechtsstaat aufgeworfen. Falsche Beschuldigungen wurden verbreitet. "Soziale" und andere Medien haben versuchtt, eine kompetente, ehrliche, aufrichtige Person zu delegitimieren. Dass in der CDU/CSU keine Mehrheit für die zuvor abgestimmte Person bestand, finde ich tieftraurig. Mißtrauen Sie einander? Ich weiß, es gab nicht eingelöste Verprechen des Kanzlers auch den Wählern gegenüber. Aus meiner Sicht gab es viele Enttäuschungen. Dies an der Kandidatin auszulassen ist keine Option. Eine andere Person hätte sicher auch mit Vorbehalten zu kämpfen.
Wären Sie bereit, einen Kandidaten zu wählen, der der rechtsextremistischen Partei gefällt? Wie weit darf die CDU dieser Partei entgegenkommen? Darf sie mit ihr gemeinsame Sache machen?
Ich möchte gerne Ihre Position kennenlernen. Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Herzliche Grüße Maria G.

Portrait von Johannes Wiegelmann
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau G.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Die Debatte um die Wahl einer Richterin oder eines Richters an das Bundesverfassungsgericht berührt nicht nur parteipolitische oder tagesaktuelle Fragen, sondern im Kern die Grundprinzipien unseres Rechtsstaates und unseres Menschenbildes. Gerade deshalb ist die Entscheidung der CDU/CSU-Fraktion, der Wahl von Professorin Brosius-Gersdorf nicht zuzustimmen, keine Frage des parteitaktischen Kalküls, sondern eine sehr bewusste und inhaltlich tief verankerte.

Ich möchte Ihnen erklären, warum ich die Ablehnung von Frau Brosius-Gersdorf teile:

Das Grundgesetz beginnt mit einem Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Diese Formulierung ist keine leere Formel, sondern Ausdruck eines Menschenbildes, das jeder Menschlichkeit – unabhängig von Alter, Herkunft oder Entwicklungsstand – einen unbedingten Wert zuschreibt. Die CDU sieht sich diesem naturrechtlich geprägten Verständnis der Menschenwürde in besonderer Weise verpflichtet.

Frau Professorin Brosius-Gersdorf vertritt in ihren wissenschaftlichen Arbeiten die Auffassung, dass der Schutz der Menschenwürde nicht uneingeschränkt für jedes menschliche Leben gilt, sondern etwa erst ab der Geburt beginnt. Ich zitiere Frau Brosius-Gersdorf: 

  • "Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt." 
    (Brosius-Gersdorf, in: Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, 2024, Kapitel 5.2.2, Seite 27) 

oder

  • "a) Gute Gründe für Geltung des Art. 1 I GG erst ab Geburt
    Für die Geltung des Art. 1 I GG erst ab Geburt spricht, dass zwischen dem Ungeborenen und dem geborenen Menschen trotz ihrer beider Zugehörigkeit zur Spezies Mensch, der kontinuierlichen Entwicklung des Embryos/Fetus, seiner Identität mit dem späteren geborenen Menschen und seinem Potenzial, sich zum geborenen Menschen zu entwickeln (sog. SKIP-Argumente) im Hinblick auf die Würdebegabung Unterschiede bestehen. (...) Die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss. Menschenwürde- und Lebensschutz sind rechtlich entkoppelt."
    (Brosius-Gersdorf, Menschenwürdegarantie und Lebensrecht für das Ungeborene. Reformbedarf beim Schwangerschaftsabbruch, in: Festschrift für Horst Dreier, 2024, S. 755 f.)

Solche Positionen weichen deutlich von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab, das dem ungeborenen Leben in allen Phasen seiner Entwicklung Menschenwürde und damit einen besonderen Schutz zuspricht.

Dies ist für mich keine marginale Differenz, sondern eine grundlegende Frage: Wer bestimmt, wann einem Menschen seine Würde zusteht – und wann nicht? Diese Diskussion berührt zentrale Werte unserer Verfassung, wie sie als Reaktion auf die Unmenschlichkeit der NS-Zeit entstanden ist. Eine solche Abweichung vom Menschenbild unseres Grundgesetzes kann und darf nicht Grundlage für eine Richterwahl an das Bundesverfassungsgericht sein.

Aus diesen Gründen stehe ich zu der Ablehnung der Kandidatur von Frau Brosius-Gersdorf. Es geht hier nicht darum, eine einzelne Person zu diffamieren – ich verurteile ausdrücklich jede Form von polemischen und unsachlichen Angriffen – sondern darum, das Prinzip zu wahren, dass der Schutz des ungeborenen Lebens und die fundamentale Menschenwürde nicht einer politischen Umdeutung unterworfen werden dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Wiegelmann

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Johannes Wiegelmann
Johannes Wiegelmann
CDU