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Jens Zimmermann
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Frage von Ralf S. •

Frage an Jens Zimmermann von Ralf S. bezüglich Soziale Sicherung

Guten Tag,

ist es richtig, dass EU Migranten, z. B. aus den Balkanländern, bei Arbeitslosigkeit Sozialhilfe bekommen sowie Miet-, Strom- und Smartphonekosten erstattet werden?
Kindergeld, auch für im Ausland lebende Kinder beziehen können?

Für Ihre Antwort bedanke ich mich im Voraus.

R. S.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de. Gerne nehme ich hierzu Stellung.
Durch Urteile des Bundessozialgerichts war der vollständige Zugang zu Leistungen der Sozialhilfe für nicht erwerbstätige Bürger aus anderen EU-Mitgliedstaaten nach einem Aufenthalt von sechs Monaten in Deutschland ermöglicht worden. Das hat es nötig gemacht, hier gesetzlich nachzubessern.
Der Bundestag hat deshalb am 1. Dezember 2016 das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen (Drucksache 18/10211) beschlossen, um Rechtssicherheit zu schaffen. Seitdem können EU-Ausländer frühestens nach fünf Jahren Hartz IV oder Sozialhilfe bekommen, wenn sie in Deutschland weder arbeiten noch selbständig tätig sind und auch keine Leistungsansprüche durch vorherige Arbeit erworben haben.
Existenzsichernde Leistungen müssen demnach zunächst im jeweiligen Heimatland beantragt werden. Das stärkt den Gedanken der Arbeitnehmerfreizügigkeit und vermeidet die Belastung von Städten und Kommunen in Deutschland. Die Betroffenen können jedoch vom deutschen Staat Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise erhalten – maximal für einen Monat.
Ein dauerhafter Leistungsanspruch nach SGB II oder SGB XII kommt erst nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland zum Tragen, sofern sich die betroffenen Personen in dieser Zeit rechtmäßig in Deutschland aufgehalten haben. Erst dann wird nämlich von einem verfestigten Aufenthalt in Deutschland ausgegangen. Sofern ein Leistungsanspruch besteht, werden – wie in Fällen von Inländern auch – über die Bedarfsregelung auch bestimmte Kosten wie Miete oder Heizkosten ganz oder teilweise übernommen.
Beim Kindergeld gab es in der Vergangenheit unbestritten ein Problem mit Missbrauch der Leistung. Denn EU-Bürgerinnen und -Bürger, die in Deutschland leben und arbeiten, haben für die Dauer ihres Arbeitsaufenthalts einen Rechtsanspruch auf Kindergeld – auch wenn deren Kinder nicht in Deutschland leben. Diese Regelung wird von bestimmten Gruppen bewusst ausgenutzt.
Die SPD hat deshalb bereits im Dezember letzten Jahres gefordert, hier eine Regelung zu finden, die den Missbrauch erschwert. In den letzten Monaten hat die Bundesregierung hierzu verschiedene Vorschläge prüfen lassen, auch europarechtlich.
Der Bundestag hat schließlich Ende April einer Regelung zugestimmt, die den Missbrauch und Kindergeldüberzahlungen verhindern soll, ohne hierbei europarechtlichen Vorschriften zu widersprechen: Kindergeld kann zukünftig nur noch für sechs Monate und nicht mehr für vier Jahre rückwirkend beantragt werden. Darüber hinaus wird der Datenaustausch zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und den Familienkassen verbessert. Hierdurch erlangen sie schneller Kenntnis davon, wenn eine Familie Deutschland verlässt und deshalb auch der Kindergeldanspruch wegfällt.
Lassen sie mich abschließend noch anmerken:
Eine der größten Errungenschaften der europäischen Einigung und ein Kernstück europäischen Zusammenhalts ist die europaweite Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dass sich EU-Bürgerinnen und -Bürger frei innerhalb der EU bewegen, leben und arbeiten können, wirkt sich insgesamt auch positiv auf die deutsche Wirtschaft aus - dies gilt generell auch für osteuropäische Bürgerinnen und Bürger.
Häufig wird von einem flächendeckenden Sozialleistungsbetrug durch osteuropäische Zuwanderer gesprochen. Pauschalurteile sind allerdings immer falsch, denn sie erschweren eine sachliche Auseinandersetzung und bieten häufig nur Populisten vermeintliche Argumente: Denn schaut man sich die Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit an, kann die Behauptung, bei der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien handle es sich hauptsächlich um Armutszuwanderung, nicht bestätigt werden.
Ich hoffe, die Informationen helfen Ihnen weiter.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Jens Zimmermann

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