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Jan-Niclas Gesenhues
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christoph J. •

Sehr geehrter Herr Gesenhues, meine Firma verschwendet sinnlos Energie um Netzentgelte sparen zu können ( siehe Ergänzungstext ). Ist Ihnen und der Regierung dieses Problem bekannt?

Ich arbeite in einem mittelständigen Unternehmen in NRW mit ca. 1400 Mitarbeitern.
Unser Werk hat eine Anschlussleistung von ca. 12MW. Um Netzentgelte sparen zu können, wurde vor einigen Jahren ein Gaskraftwerk auf dem Firmengelände gebaut, dass Lastspitzen abfangen soll.
Dieses Kraftwerk wird bei Bedarf zuschaltet.
Wenn es aber zu einem Fehler kommt und dies nicht geschieht, steigt unser Grundverbrauch und wir sind gezwungen diesen zu halten.
Es wurde ein Heizwiderstand auf einer Wiese aufgestellt, der elektrische Energie in Wärme umwandelt. Zurzeit 1 MW bis Ende des Jahres.
Zusätzlich, wenn es zu einen Auftragseinbruch kommen wird, wonach es zurzeit aussieht, sind wir gezwungen unseren Stromverbrauch beizubehalten, was dazu führt, dass weitere Heizwiderstände aufgestellt werden.
Es wird an die Bürger appelliert Energie zu sparen, parallel findet so etwas aber in der Industrie statt.
Diese Praxis ist in größeren Betrieben gang und gäbe.
Ich würde mich über eine Antwort freuen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr J.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Die Netzentgeltsystematik für stromintensive Industrie bzw. über "registrierende Leistungsmessung" (RLM) gemessene Stromverbraucher mit ihrer Orientierung der Höhe des Leistungspreises an der Jahreshöchstleistung dient dazu, einen Anreiz zu erzeugen, Lastspitzen zu reduzieren. Dies wiederum dient der Netzstabilisierung und Optimierung der Netznutzung, da sich der Netzausbau grundsätzlich an der maximalen Leistung orientieren muss. Ein Netz so auszubauen, dass es für wenige Male im Jahr auftretende Spitzen dimensioniert ist, wäre allerdings ein ineffizientes Netz, da es die restliche Zeit des Jahres unterausgenutzt wäre. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, warum bereits einzelne Lastspitzen zu empfindlichen Preissteigerungen beim Leistungspreis führen.

Allerdings kann es nicht Sinn der Regelung sein, unsinnige Stromverbräuche zu erzwingen. Vielmehr sollte ein netzdienliches Lastmanagement angereizt werden, das den Stromverbrauch an der Verfügbarkeit und Kapazität des Stromnetzes orientiert. Aus diesem Grund gibt es nach § 19 StromNEV die Möglichkeit zur Vereinbarung individueller Netzentgelte. Auch böte sich ggf. die Abrechnung auf Monatsleistungspreisen an, sodass nicht für das gesamte Jahr ein erhöhter Leistungspreis gezahlt werden muss.

Nichtsdestotrotz sind wir uns bewusst, dass in diesem Bereich grundsätzlich Reformbedarf besteht. Dadurch, dass das Anrecht auf individuelle Netzentgelte von einem Mindestverbrauch von 10 GWh und einer Mindestnutzungszeit von 7000 Stunden im Jahr abhängt (nach § 19 StromNEV), wird eine Reduzierung des Grundverbrauchs unter diesen Wert entsprechend unattraktiv. So ist es häufig günstiger, mehr Strom zu niedrigen Entgelten zu verbrauchen, als weniger zu höheren Preisen. Doch diesen Umgang mit Energie können wir uns weniger denn je leisten. Darum haben die Koalitionsfraktionen in ihrem am 7. Juli 2022 beschlossenen Änderungsantrag zum Energiesicherungsgesetz die Regelung aufgenommen, dass für das verbleibende Jahr 2022 auch bei Unterschreitung des Mindestverbrauchs die 2021 vereinbarten individuellen Netzentgelte weiterhin in Anspruch genommen werden können. Dies stellt allerdings lediglich eine Übergangsregelung dar und ersetzt nicht die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Änderung. Diese wird im Zuge der Reform des Strommarktdesigns inklusive der Netzentgeltsystematik ab Herbst 2022 adressiert und im Laufe der kommenden Jahre implementiert werden.

Mit freundlichen Grüßen
Jan-Niclas Gesenhues

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