Herr Blankenburg - Ihre Position zum "Wanderwitzantrag" (Drucksache 20/13750)?
Das GG ist als wehrhafte Demokratie entwickelt worden und §21 Abs.2 ist daher Teil des GG.
"Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht."
Nicht Sie, nicht das Parlament, das Verfassungsgericht entscheidet. Ein Verbotsverfahren hat ausreichend Aussicht auf Erfolg. Es ist daher geboten, sich dem Verbotsverfahren anzuschließen, um verfassungsfeindliche Bestrebungen zu unterbinden, die demokratische Grundordnung zu schützen und Extremismus effektiv entgegenzuwirken.
Mit einiger Verwunderung musste ich feststellen, dass Ihr Name unter den Antragstellern fehlt - Sie sollten sich anschließen..

Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Auch meine Fraktionskolleg*innen und ich haben uns in den letzten Wochen und Monaten intensiv mit der Möglichkeit befasst, einen Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD zu stellen. Ich kann Ihnen versichern, dass es niemanden in der SPD-Fraktion gibt, der*die nicht gegen die AfD vorgehen will – allein schon aufgrund der antifaschistischen Tradition unserer Partei.
Wie Sie richtig schreiben, stell unser Gesetzgesetz mit Artikel 21 Absatz 2 das Parteiverbotsverfahren als Instrument der wehrhaften Demokratie bereit. Es erlaubt das Verbot von Parteien, deren Ziele und Handeln darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Vergangene Verfahren haben jedoch gezeigt: Das Bundesverfassungsgericht legt höchste Maßstäbe an, wenn es um die Einstufung einer Partei als verfassungswidrig geht – und das aus gutem Grund. Ein Parteiverbot hätte drastische und weitreichende Konsequenzen. Um es zu begründen, muss nachgewiesen werden, dass eine Partei planvoll das Funktionieren der Demokratie zerstören will. Dies erfordert konkrete, gewichtige Belege, die zumindest die Möglichkeit nahelegen, dass das Vorgehen der Partei erfolgreich sein könnte. Entsprechende Beweise müssen bereits mit der Antragsschrift dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden.
Im Fall der AfD bezweifeln viele Expert*innen, dass die bislang öffentlich zugänglichen Fakten für ein Verbot genügen. Schockierende Enthüllungen, wie die Beteiligung an Diskussionen über zutiefst rassistische „Remigrationspläne“ auf einem Geheimtreffen in Potsdam, sind alarmierend, reichen aber juristisch womöglich nicht aus. Ein zentraler Baustein der Beweiserhebung sind die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden. Dass die AfD rechtmäßig durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird, hat nach dem Verwaltungsgericht Köln nun auch das Oberverwaltungsgericht Münster als Berufungsinstanz bestätigt. Das Bundesamt darf somit Erkenntnisse über die Handlungen der AfD auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln sammeln. Mit der angekündigten Hochstufung der AfD zu „gesichert rechtsextrem“ könnte ein verstärkter Einsatz solcher Maßnahmen mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit zulässig werden. Genau hier sehe ich eine große Chance, die nicht durch einen verfrühten Antrag verspielt werden darf. Die Beweissammlung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz muss nämlich vor der Einreichung eines Prüfantrags abgeschlossen sein, da ab diesem Zeitpunkt Staatsferne gewahrt werden muss. Andernfalls hat der Antrag keine Chance – das haben wir beim ersten NPD-Verbotsantrag 2003 gesehen.
Doch nicht nur die Beweislage spricht gegen einen vorschnellen Antrag. Nach dem Beschluss eines Verbotsantrags im Deutschen Bundestags müsste eine detaillierte Antragsschrift für das Bundesverfassungsgericht erstellt werden, was Monate in Anspruch nehmen würde. Da jedoch mit dem Zusammentreten des neuen Bundestages Ende März alle offenen Anträge verfallen, wäre der Beschluss eines Verbotsantrages zum jetzigen Zeitpunkt rein symbolischer Natur und würde dem Ernst der Thematik nicht gerecht werden.
Gleichzeitig fehlen derzeit die politischen Mehrheiten im Parlament. Die Fraktionen CDU/CSU und FDP haben ihre Ablehnung eines solchen Vorhabens klar signalisiert. Ohne eine breite parlamentarische Unterstützung würde ein Antrag jedoch nicht die nötige politische Substanz besitzen und wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Vor diesem Hintergrund sorge ich mich, dass ein Schnellschuss jetzt am Ende scheitert – sei es aufgrund fehlender Beweise, prozeduraler Probleme oder mangelnder politischer Mehrheiten – und der AfD sowie ihren menschenverachtenden Positionen mehr Legitimität verschafft. Meiner Meinung nach ist die sorgfältige Vorbereitung eines Antrags wichtiger als eine schnelle Einbringung. Schließlich wird es Jahre dauern, bis das Bundesverfassungsgericht ein Urteil fällt – selbst wenn wir morgen eine Antragsschrift einreichen würden. Eine parlamentarische Initiative, die Expert*innen mit der Beweissammlung und der Auslotung der Erfolgschancen eines Parteiverbotsverfahrens beauftragt, erscheint mir wesentlich zielführender.
Ich bin überzeugt, dass in der kommenden Legislatur eine Mehrheit für diesen Weg möglich ist. Auch wenn ich die Wahlprognosen der AfD mit Sorge beobachte, halte ich es für ausgeschlossen, dass die Partei eine parlamentarische Initiative oder einen Verbotsantrag aufhalten könnte. Für die Einleitung braucht es nur eine einfache Mehrheit im Bundestag – also mehr Ja- als Nein-Stimmen. Außerdem könnten auch der Bundesrat und die Bundesregierung die Initiative ergreifen und ein Parteiverbotsverfahren anstoßen.
Das alles darf nicht über eine Sache hinwegtäuschen: Rechtsextremismus lässt sich nicht allein durch ein Parteiverbot bekämpfen. Als Sozialdemokrat*innen setzen wir auf eine lebendige demokratische Streitkultur, politische Bildung und Aufklärung über Verschwörungsideologien. Den Kampf gegen Rechts führen wir aber nicht allein. Er kann nur im Schulterschluss mit einer engagierten Zivilgesellschaft gelingen, die tagtäglich für unsere gemeinsamen demokratischen Werte eintritt.
Mit besten Grüßen
Jakob Blankenburg