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Ingrid Nestle
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Frage von Oliver M. •

Frage an Ingrid Nestle von Oliver M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Nestle,
seit einiger Zeit geht ein sehr bürgerfeindliches Gespenst durch dieses Land! Es vernichtet systematisch die Organisationen, die sich (friedlich!) für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einsetzen.
change.org soll das nächste Opfer werden! Hier ein Auszug aus einer Mail, die mich am 26.01.2020 errechte: "... kürzlich haben wir erfahren, dass Change.org Deutschland zu den Top 5 der "gefährlichsten NGOs für Unternehmen" zählt. In einem PR-Report werden Firmen vor einer starken Zivilgesellschaft gewarnt. Gerade Organisationen mit einer großen Reichweite in den Sozialen Medien seien "brandgefährlich". Dazu gehören wir, dazu gehört auch die Kampagnenorganisation Campact." - Frau Nestle, als GEWÄHLTE Abgeordnete vertreten Sie auch meine Interessen! Ich bin sehr (!) für den Erhalt entsprechender Kampagnenorganisationen!
Sie doch auch, oder?
Unterstützen Sie, bitte, auch den Erhalt der Organisation change.org, bevor Ihnen der unliebsame politische Gegner diese Arbeit abnimmt ...

Mir freundlichem Gruß aus Wacken

O. M.

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Antwort von
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Moin Herr Matthießen,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Ich mache mir in den letzten Jahren Sorgen um den Zustand der unterschiedlichen Beteiligungsformen in unserem demokratischen System. Insbesondere Organisationen, die Meinungen bündeln und aktiv an uns Politiker*innen herantragen, werden diskreditiert und von unterschiedlichen Seiten angegriffen.
Wir haben es bei Campact gesehen, denen durch die Berliner Steuerverwaltung die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. Ich finde dieses Urteil empörend und sehe in der Bündelung von Interessen und der Bereitstellung von unabhängigen Plattformen für Bürger*innen zur deutlichen Meinungsäußerung eine wichtige Aufgabe, die nicht im Sinne des Vereinsrechtes zu allgemeinpolitisch ist. Die Praxis, unliebsamen Organisationen Steine in den Weg zu legen, haben wir beispielsweise auch bei .attac erlebt.
Wir brauchen in unserer Demokratie genau solche Plattformen und Interessensvertretungen. Wenn der zuständige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ankündigt, ein modernes Vereinsrecht zu schaffen, reicht das nicht. Wir brauchen für die unterschiedlichen Akteur*innen Rechts- und Planungssicherheit. Die "Allianz für Rechtssicherheit für politische Willensbildung" hat hierfür einen guten Aufschlag geliefert, den ich für dringend diskussionswürdig erachte. Wir dürfen hier nicht warten, bis alle Vereine die Segel gestrichen haben und in die Pleite getrieben wurden. Wir GRÜNE haben das Thema schon lange im Blick und sind erschreckt, mit welcher Gleichgültigkeit das Engagement der Bürger*innen nicht beachtet wird. Unser Antrag in der letzten Wahlperiode, Drucksache 18/12559 "Rechtssicherheit für bürgerschaftliches Engagement ‒ Gemeinnützigkeit braucht klare Regeln" wurde leider sang- und klanglos abgelehnt.

Mit besten Grüßen
Ingrid Nestle

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