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Ingrid Nestle
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Frage von Metin D. •

Frage an Ingrid Nestle von Metin D. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Frau Nestle,

mit der geplanten Reform des PbefG wird den bestehenden Taxibetrieben (26.000 Taxen, ca. 250.000 Arbeitsplätze) die Existenzgrundlage vollständig entzogen und den Fahrdiensten Tür und Tor geöffnet. Die zur Disposition stehende Rückkehrpflicht hat den Sinn, ortsansässige Betriebe in ihrer Existenz zu schützen und Verkehr zu begrenzen. Ansonsten würden Ballungszentren und Hotspots ungebremst überflutet von auswärtigen Fahrdiensten. Genau das wird zur Zeit von uns durch Beobachtung bestätigt. Das belegen auch weltweit erhobene Zahlen aus anderen Großstädten. Die Anzahl der Pkw der Personenbeförderer ist dort jeweils um das Sechsfache angestiegen. Taxis sind seit Jahren voll digitalisiert und bieten schon längst das, was die neuen "Heilsbringer" nun angeblich besser, schneller, bequemer und billiger machen können. Noch mehr Billiglöhner? Noch weniger Parkraum? Noch mehr Verkehr und Stau? In fast jeder Stadt können sie per App ein Taxi bestellen, teilen und bargeldlos zahlen. Kein Preisdumping, kein Lohndumping, keine Rosinenpickerei. Wo genau, soll nun die Innovation von z. B. Uber sein? Bereits jetzt sind Städte und Kommunen mit der Überwachung des gut sicht- und greifbaren Taxigewerbes überfordert. Wie stellen sie sich eine Überwachtung noch größerer Flotten dieser neuen Mobilitätsanbieter und Mietwagenbetreiber überhaupt personell vor? Das Ungeheuerlichste an z. B. Uber ist allerdings die völlige Ignoranz der landeseigenen Gesetzgebung und die permanenten Verstöße gegen diese. Nirgends werden verhängte Strafen gezahlt. Zur Belohnung scheint das Gesetz nun offensichtlich diesem Vorgehen angepasst zu werden. Es sollte bekannt sein, dass es noch kein Unternehmen geschafft hat, eine preiswertere, kostendeckende Personenbeförderung anzubieten. Taxis arbeiten, trotz Schutz, bereits jetzt am Existenzminimum. Der Schutz kippt nun. Das bedeutet eindeutig das Ende für uns.

Mit freundlichen Grüßen

M. D.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr D.,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Da verschiedene Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über das Portal "abgeordnetenwatch.de" Anfragen zu Reform des Reform des Personenbeförderungsgesetz (PbefG) erhalten haben, lasse ich Ihnen im Folgenden eine mit dem für das Thema zuständigen Fachsprecher abgestimmte Antwort zukommen.

Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben.

Mit besten Grüßen
Ingrid Nestle

Grundsätzlich muss ein modernes Personenbeförderungsgesetz Antworten auf die drei größten Herausforderungen des öffentlichen Verkehrs geben. Wesentlich ist dabei die Frage nach den Rechten und Pflichten, die in Zukunft für neue Mobilitätsanbieter gelten sollen. Aber auch das Problem der überfüllten Busse und Bahnen in den Morgen- und Feierabendzeiten muss endlich angegangen werden. Zugleich muss eine Antwort auf den Umgang mit wachsenden Pendlerströmen aus dem Umland in die Stadt gefunden werden.
Während in Ballungszentren heute schon ein Überangebot an Mobilitätsdiensten existiert, ist es auf dem Land teilweise fast unmöglich überhaupt ein regelmäßiges und zuverlässiges Angebot mit Bus und Taxi sicherzustellen. Hier muss die öffentliche Hand regulierend eingreifen, denn Mobilität für alle – unabhängig vom Wohnort, Geldbeutel oder Alter – gehört, aus unserer Sicht, zur Daseinsvorsorge.
Daher müssen Car- und Ridesharing-Anbieter, genauso wie ÖPNV und Taxigewerbe, gesetzlich dazu verpflichtet werden, ihre Fahrdienste nicht nur in lukrativer Innenstadtlage, sondern auch am Stadtrand anzubieten. Wer einen taxi- oder ÖPNV-ähnlichen Service anbietet, muss sich auch an die entsprechenden Regeln wie Betriebs-, Beförderungs-, und Tarifpflicht halten. Kannibalisierungseffekte zwischen ÖPNV, Taxigewerbe und Sharing-Systemen gilt es zu vermeiden. Ridesharing-Dienste können, richtig konstruiert, eine sinnvolle Ergänzungsfunktion in einem insgesamt qualitativ verbesserten Mobilitäts-System spielen, um den Individualverkehr mit dem eigenen Auto zu verringern.

Zudem könnten Sharinganbieter sinnvoll in die inklusive Mobilität von morgen eingebunden werden. Immerhin bieten sich die oft genutzten Kleinbusse unter anderem auch für die Inklusion mobilitätsbeschränkter Menschen an.
Eine reine Marktliberalisierung und Öffnung für Sharing-Anbieter wie Uber und Co verfehlt jede ökologische und soziale Lenkungswirkung. Es besteht die Gefahr, dass am Ende faktisch mehr Fahrzeuge, ob nun Pkw oder Kleinbusse, auf den Straßen umherfahren und der Verkehrskollaps damit zum Verkehrs-Super Gau mutiert.

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