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Ingrid Arndt-Brauer
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Frage von André P. •

Frage an Ingrid Arndt-Brauer von André P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,

ich finde es erstaunlich, dass Sie sich in Ihrem Gastbeitrag im Focus vor den Karren der Urananreicherung in Gronau spannen lassen und eine gesetzliche Stilllegungsregelung ablehnen. Lehnen Sie den Atomaustiegsbeschluss des Bundestages ab? Damit dieser glaubwürdig und vollständig ist, müsste er um Regelungen zur nuklearen Brennstoffproduktion ergänzt werden und klare Ausstiegsszenarien für die ohnehin volkswirtschaftlich irrelevanten Uranfabriken in Lingen und Gronau geschaffen werden.

Ein Super-Gau in einem der aus Gronau und Lingen belieferten Atomkraftwerke in Deutschland und im benachbarten Ausland, könnte - sogar laut Studien, die für die Bundesregierung erstellt wurden - zum Verlust eines Großteils der deutschen Agrarwirtschaft und zu massiven Einbrüchen aller Wirtschaftsbereiche führen.

Es ist erschreckend, dass PolitikerInnen oft die kurzsichtigen Interessen von Firmen in Ihrem lokalen Umfeld höher bewerten, als Risiken für die Zukunft und für Menschen im großen Zusammenhang. Als Bürger einer Stadt, die Miteigentümer des AKW Grohnde ist und als Bürger, der nur 60 km von diesem Atomkraftwerk entfernt wohnt, kenne ich diese Problematik auch aus meiner Heimat.

Verschließen Sie sich bitte nicht den internationalen Zusammenhängen und setzen Sie sich bitte für die schnelle Stilllegung der Unranfabriken, sowie aller Atomkraftwerke ein!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Plümer,

um es vorweg zu nehmen: Ich bin vom Betriebsrat des Unternehmens eingeladen worden. Als sozialdemokratische Abgeordnete liegen mir die Anliegen der Mitarbeiter am Herzen, ganz gleich in welcher Branche die Menschen arbeiten.

Ich selbst stamme aus der Anti-Atomkraft Bewegung, habe den Ausstieg immer befürwortet und tue das uneingeschränkt auch heute. In Deutschland wird bis zum Jahre 2022 das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen und nicht nur aus Gründen der von Ihnen beschriebenen Auswirkungen auf die (Agrar-)Wirtschaft, sondern auch wegen der immensen Kosten. Die nächsten 8 Jahre werden wir wohl oder übel mit dem (sehr kleinen) Restrisiko eines GAU leben müssen - ein schnellerer Ausstieg war nicht durchsetzbar.

Die Urananreicherung ist im Atomausstieg gar nicht mitverhandelt worden. Eine Schließung der Anlage auf Grundlage des Ausstiegsbeschlusses in Deutschland ist somit nicht möglich. Ich war bei den Verhandlungen nicht anwesend und kann Ihnen über die Hintergründe daher keine Auskunft geben. Die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau gilt per Definition als "gewerbliche Anlage" und fällt daher nicht unter das Atomgesetz. Für die Überwachung der Betriebssicherheit von URENCO ist das Wirtschaftsministerium des Landes NRW zuständig.

Sie bitten mich internationale Zusammenhänge zu beachten. Sie wissen sehr wohl, dass viele Länder - auch in Europa - weiterhin Atomkraft nutzen und mitunter diese sogar ausbauen wollen. Ich kritisiere das, aber es gibt - über Gespräche hinaus - keine Möglichkeiten diese Entwicklungen zu unterbinden: Bekanntlich sind die EU- und andere Staaten autark was die Energiepolitik betrifft.

URENCO wird im Rahmen des 1970 von Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien unterzeichneten völkerrechtlichen `Vertrag von Almelo´ betrieben. In diesem wird auch die staatliche Kontrolle der maßgeblichen Kriterien Nichtverbreitung von waffenfähigem Material, Technologiesicherung und wirtschaftliche Solidität durch ein Regierungskontrollgremium, den sogenannten Gemeinsamen Ausschuss, sichergestellt. Der Bund kann nichts unternehmen, um die Anlage einseitig zu schließen, wenn nicht eklatante Verstöße gegen die völkerrechtlich vereinbarten Bestimmungen vorliegen. In diesem Kontext habe ich - auch in meiner jetzigen Pressemeldung - in den letzten Jahren wiederholt gegenüber der Bundesregierung auf die Problematik der Lagerung und des Umgangs mit den abgereicherten Uranabfällen hingewiesen.

Volkswirtschaftlich hat die Urananreicherung für das Gebiet der Bundesrepublik keine Bedeutung, aber durchaus für die betroffenen Regionen. Für den Fall, dass unverantwortliche Risiken beim Betrieb der Anlage auftreten würden, die eine Schließung erfordern würden, wären die wirtschaftlichen Erwägungen selbstredend nachrangig.

Zur Zeit kommen wir nicht umhin, uns mit den rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa zu arrangieren. Aufgrund dieser sehe keine politischen Möglichkeiten den Betrieb von Atomkraftwerken schneller zu beenden und halte es für nicht sinnvoll die Schließung der UAA in Gronau zu fordern. Diesen Widerspruch zum beschlossenen Atomausstieg gilt es zu ertragen.

Ich kann Ihnen versichern, dass ich voll und ganz hinter dem Atomausstiegsbeschluss stehe. Als Abgeordnete kann und werde ich mich weiterhin dort wo es mir möglich ist konstruktiv und kritisch einbringen, nämlich bei der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung bei der Einhaltung der bestehenden Rechtsvorschriften für den Betrieb der UAA.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Arndt-Brauer, MdB