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Hubertus Heil
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Frage von Regina H. •

Welche Regelungen des Bürgergeldes werden auch für Grundsicherung angewendet?

Sehr geehrter Herr Heil,
in den Medien wurde noch nicht so offen kommuniziert, ob die Änderungen beim Bürgergeld auch auf GruSi angewendet werden.
Dabei interessieren mich insbesondere:
1) Freibeträge für Vermögen
2) Mietgrenzen für behindertengerechten Wohnraum
3) Freibeträge für Behinderte

Im Bürgergeld wurden die Bedingungen für Behinterdenfreibetrag nach meiner Lesart stark eingeschränkt und an realitätsferne Bedingungen geknüpft.
Die Mietgrenzen enthalten keine Differenzierung nach Notwendigkeit.
Außerdem hat sich an den zugrundegelegten Obergrenzen weitab von der Realität auf dem Wohnungsmarkt nichts getan.
Muss man also damit rechnen, bei Bedürftigkeit eine behintertengerechte Wohnung aufzugeben?

Die Situation ist nicht selbstverschuldet, ein Leben lang gearbeitet, studiert, 2 Söhne alleine großgezogen, die heute zu Spitzenverdienern zählen. Also gute Steuerzahler und dem Staat auch was gegeben! Verdient das keinen Respekt?

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Sehr geehrte Frau H.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Aufwendungen für Unterkunft werden nach geltender Rechtslage übernommen, wenn sie angemessen sind. Das SGB XII bestimmt ebenso wie das SGB II nicht, welche Unterkunftskosten angemessen sind. Diese Mietgrenzen werden von jedem Sozialhilfeträger für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich festgesetzt. Er hat dabei das durchschnittliche Mietpreisniveau ebenso zu berücksichtigen wie die angemessene Wohnungsgröße, die Ausstattung der Wohnungen und vor allem auch die Verfügbarkeit von Wohnungen, die nach diesen Kriterien als angemessen gelten. Ein bestimmtes Verfahren hierfür ist den Sozialhilfeträgern nicht vorgegeben, als Orientierungsgröße dienen aber häufig die örtlichen Mietspiegel. Die Karenzzeit für die ersten 12 Monate des Leistungsbezugs wird nicht nur im Bürgergeld eingeführt, sondern auch in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dadurch werden in diesen 12 Monaten nicht nur die angemessenen, sondern die tatsächlichen Aufwendungen für die Miete übernommen.

Bei der Bestimmung der Angemessenheit sind im Rahmen einer Einzelfallprüfung neben den Mietgrenzen die besonderen Lebensumstände jeder einzelnen Person (z.B. Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Alter, schulpflichtige Kinder und Alleinerziehung) zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass eine behindertengerechte Wohnung, deren Miete die abstrakte Mietgrenze übersteigt, beim Eintritt von Hilfebedürftigkeit nicht zwingend aufgegeben werden muss. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob zumutbare Umzugsalternativen bestehen - also ausreichend behindertengerechte, kostenangemessene Wohnungen -, ob etwaige individuelle Umzugshindernisse vorliegen oder die im Zusammenhang mit einem Wohnungswechsel/Umzug entstehenden Kosten im Verhältnis zu dem die angemessene Miete übersteigenden Betrag unwirtschaftlich wären.

Die Vermögensschonbeträge nach § 12 SGB II wurden durch das Bürgergeldgesetz generell erhöht. Insbesondere wird durch § 12 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 SGB II ausdrücklich solches Ver-mögen geschont, welches nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, sofern diese/s als Wohnung für Menschen mit Behinderungen oder mit Pflegebedarf dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde.

Auch im SGB XII wurden die Vermögensschonbeträge im Rahmen der Bürgergeldgesetzgebung erhöht. So wurde der kleinere Barbetrag nach § 90 Absatz. 2 Nr. 9 SGB XII, der auch Empfängern von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zur Verfügung steht, von 5.000 Euro auf 10.000 Euro angehoben. Des Weiteren ist gemäß § 90 Absatz 2 Nr. 10 SGB XII nunmehr ein angemessenes Kraftfahrzeug vom Einsatz oder von der Verwertung geschützt. Wenn im Falle einer Behinderung eine besondere Fahrzeugausstattung erforderlich ist, um das Kraftfahrzeug fahren zu können, wird dies im Rahmen der Angemessenheitsprüfung berücksichtigt. Daneben bleibt im SGB XII durch § 90 Absatz 2 Nr. 8 SGB XII nach wie vor ein angemessenes selbstbewohntes Hausgrundstück vor der Vermögensverwertung geschützt. Auch hier sind bei der Beurteilung der Angemessenheit besondere Wohnbedarfe aufgrund von Behinderung oder Pflegebedürftigkeit berücksichtigt. Durch § 90 Absatz 2 Nr. 3 SGB XII wird zudem weiterhin solches Vermögen geschützt, welches der Beschaffung oder Erhaltung eines solchen Hausgrundstücks dient, sofern dieses Wohnzwecken von Menschen mit Behinderung oder mit Pflegebedarf dient und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde.

Weder beim Bürgergeld noch in der Sozialhilfe wurden die Voraussetzungen des Mehrbedarfs für behinderte Menschen (vgl. §§ 21 Absatz 4, 23 Nummer 2 und 4 SGB II sowie § 30 Absatz 1 und 4 SGB XII, § 42b Absatz 3 SGB XII) oder die Freibeträge nach § 11b SGB II bzw. § 82 SGB XII verschlechtert. Da die Prozentwerte für einen Mehrbedarf an die jeweils maßgebenden Regelbedarfe anknüpfen und Letztere durch das Bürgergeldgesetz deutlich erhöht wurden, wird sogar ein höherer Mehrbedarf als zuvor anerkannt.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil

 

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