Wie positionieren Sie sich zum Manifest der SPD zur Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung, alternativ zur Kriegsertüchtigung a la Pistorius?
„Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne Frieden nichts.“ – Willy Brandt
Welche Ursachen sehen Sie für diesen Krieg?

Sehr geehrter Herr H.,
ich respektiere den Standpunkt der Genoss:innen aus dem Manifest zur Friedenssicherung, kann mich diesem angesichts der aktuellen Lage allerdings nicht anschließen.
Die Vorgeschichte des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mag von politischen Fehlern auf verschiedenen Seiten geprägt sein. Zugleich ist sie aber auch die Geschichte zahlreicher diplomatischer Initiativen, die darauf abzielten, eine Eskalation zu verhindern. Die Liste internationaler Bemühungen um Vermittlung und Konfliktlösung ist lang – und mit jeder gescheiterten Initiative wird deutlicher, dass Wladimir Putin bislang kein ernsthaftes Interesse an einem gerechten und tragfähigen Frieden gezeigt hat. Ein Frieden, der nicht auf Kosten der Ukraine und ihrer staatlichen Souveränität erkauft wird.
Als politische Verantwortungsträger*Innen und -träger für Deutschland und Europa sind wir verpflichtet, unsere Bevölkerung zu schützen. Wir werden niemals aufhören, nach friedlichen Lösungen zu suchen. Doch wir müssen zugleich der bitteren Realität ins Auge sehen: Der russische Präsident und sein Regime sind bereit, mit militärischer Gewalt Tatsachen zu schaffen, die unsere europäische Friedensordnung untergraben.
Bis vor wenigen Jahren hielten viele einen Krieg auf europäischem Boden für ausgeschlossen. Und doch ist er seit über zwei Jahren bittere Realität. Im Vertrauen auf eine friedliche Welt haben wir in den vergangenen Jahrzehnten abgerüstet – in der Hoffnung, militärische Stärke nie wieder zur Sicherung des Friedens zu benötigen. Es war ein schöner, ehrenwerter Traum – aber wir wurden aus ihm geweckt. Und dennoch halten wir an diesem Ideal fest.
Gerade deshalb dürfen wir nicht naiv sein. Russland führt längst nicht nur einen militärischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern auch einen hybriden Krieg gegen Europa – durch Desinformation, Cyberangriffe und Destabilisierung. Wir handeln in Verantwortung für unser Land und unsere europäischen Partner. Und auch wenn wir weiter die Hand zum Dialog reichen, fällt es zunehmend schwer, an den Willen Moskaus zu einem ernsthaften Frieden zu glauben.
Für mich ist klar: Frieden durch Diplomatie und eine langfristige Abrüstung bleiben unser Ziel. Doch solange die russische Führung nicht zu einem ehrlichen Dialog bereit ist und weiterhin auf Gewalt setzt, müssen diese friedenspolitischen Bemühungen vorerst durch Entschlossenheit und militärische Stärke unterfüttert werden. Nicht als Selbstzweck, sondern als Voraussetzung dafür, dass Diplomatie überhaupt eine Chance hat.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Mann