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Heribert Hirte
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Frage von Heribert K. •

Frage an Heribert Hirte von Heribert K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Prof. Hirte,

Mindestlohnbezieher in der Steuerklasse 1 bezahlen bei 40 Wochenstunden Arbeit ca. 90 Euro Lohn- und Kirchensteuer im Monat. Warum wird der Mindestlohn besteuert? Warum müssen Mindestlohnbezieher im Alter wieder Sozialtransfers (Rentenarmut) beantragen? Macht es nicht Sinn, die zwischen steuerlichem Grundfreibetrag und Mindestlohn-Brutto bestehende Differenz zugunsten der DRV zu verbeitragen - also den Lohnsteueranteil als Beitrag zur DRV zu behandeln?
1. Im Falle der Verbeitragung benötigen Mindestlohnbezieher im Alter keine Sozialtransfers mehr.
2. Die Bürokratie würde so deutlich auf lokaler Ebene (Bezirk, Landkreise, Städte) abgebaut, weil die Transferquote sinkt.
3. Zukunftsangst würde den Mindeslohnbeziehern zumindest teilweise genommen (AFD-Thema)
4. Die Umschichtung der Steuern zugunsten der Beiträge ist „haushaltsneutral“, da Überschüsse der DRV/KV regelmässig dem erwirtschafteten Haushaltsüberschuss zugeordnet werden.
5. Der Bundeszuschuss zur DRV von ca. 100 Mrd. Euro könnte so evtl. entlastet werden.

Für Sie als Jurist - Ist die Besteuerung des Mindeslohns überhaupt verfassungsgemäß, wenn der Fiskus hierdurch in die Tarifautonomie eingreift, um sich mit mehreren Mrd. Steuern die, die seit Einführung angefallen sind, die Taschen zu füllen (Verstoß gegen Art 9 GG)

Vielen Dank für Ihre Antwort

H. K.

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CDU

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Email. Ich gebe zu, ich habe die gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn 2015 nur „schweren Herzens“ angenommen. Warum dann überhaupt? Weil ich die die Auffassung der Befürworter teilte, dass eine Entlohnung unter 8,50 Euro pro Stunde nicht gerecht ist. Denn: „Von seiner eigenen Hände Arbeit muss man leben können! Hauptproblem ist aber – wie ich auch im Wahlkampf immer wieder gesagt habe – das Einfangen möglicher Umgehungen bzw. die Überwachung der neuen Regelungen. Hierfür ist inzwischen ein irrer Beamtenapparat geschaffen worden, der uns Geld kostet, viel Geld (das man besser direkt an Direktverdiener ausschütten hätte können). Aber das war letztlich der Preis dafür, dass wir 2015 in der Großen Koalition von der SPD die Zusage erhielten, keine Steuern zu erhöhen und an einem ausgeglichenen Haushalt mitzuwirken.

Trotzdem kann man heute sagen: Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 war eine der wichtigsten Arbeitsmarktreformen der letzten Jahrzehnte. Millionen Menschen haben seitdem vom Mindestlohn profitiert. Der Mindestlohn macht sich positiv auf dem Konto bemerkbar bei Menschen, die wenig verdienen und mit jedem Euro rechnen müssen.

Um Ihre Frage zu beantworten: Die Besteuerung des Mindestlohns halte ich für gerecht und fair gegenüber allen anderen Arbeitnehmern. Auch ist es glaube ich ein wichtiges Zeichen auch für Geringverdiener, dass sie Einkommensteuer zahlen und somit auch "vollwertige Mitglieder der Gesellschaft" und eben nichts geschenkt bekommen.

1. Selbst wann man die von Ihnen hypothetisch angenommene Lohn- und Kirchensteuer von 90 Euro voll zur Rentenversicherung verbeitragen würde, hätte dies ehrlicherweise nur minimalen Einfluss auf die Rentenansprüche. Insofern wäre auch dann mit (allerdings wahrscheinlich geringfügig geringeren) Transferleistungen zu rechnen.
2. Wie bereits ausgeführt glaube ich nicht, dass bei einer Einzahlung von zusätzlichen 90 Euro/monatlich in die Rentenkasse die Anzahl der Transferleistungsempfänger in Zukunft deutlich niedriger wäre. Insofern sehe ich auch nicht die (deutlichen) Einsparungen bei der Bürokratie.
3. Auch hier widerspreche ich Ihnen aus den o.g. Gründen.
4. Hier stimme ich Ihnen auch nur teilweise zu - es ginge heute von dem einen Topf in den anderen, was den Bundesanteil an der Lohnsteuer angeht. Was Sie nicht berücksichtigen, ist der Länderanteil der Einkommensteuer und die Kirchensteuer. Hier bedürfte es einer Kompensation, sei es durch einen höheren Steuersatz oder geringere Ausgaben. In Zukunft würden dann die geringfügig höheren Renten der heutigen Mindestlohnempfänger dann von den Besserverdienenden getragen, die dann weniger Rente bekämen. Dies wiederum halte ich für schwierig, da eine höhere Qualifizierung und Verantwortungsbereitschaft, gemäß dem Motto "Leistung muss sich lohnen", honoriert werden sollte.
5. Eventuell - aber das wäre dann was den Bundesanteil der Einkommensteuer angeht nur ein Tausch der Töpfe und für den Länderanteil für letztere ein Minusgeschäft, da die Länder heute keine Zuschüsse zur DRV leisten.

Letztlich kann ich Ihr Argument, dass der "Fiskus hierdurch in die Tarifautonomie eingreift" leider nicht nachvollziehen. Zuletzt erlauben Sie mir den Hinweis, dass "der Fiskus" sich durch die Einnahme von Steuern nicht "die Taschen füllt", sondern die Einnahmen auch wieder 1:1 an die Bürgerinnen und Bürger "ausschüttet" - wobei man natürlich ehrlicherweise über den Sinn oder Unsinn vieler Ausgaben diskutieren kann. Dies würde aber an dieser Stelle zu weit führen....

Mit freundlichen Grüßen

Heribert Hirte