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Heike Sudmann
DIE LINKE
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Frage von Erik T. •

Was bedeutet Gerechtigkeit für sie ?

Sehr geehrte Frau Sudmann ,
diese Frage haben wir uns in der Schule gestellt und hoffen das sie uns die beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Der Philosophie Kurs 9
Am Bondenwald

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Antwort von
DIE LINKE

Liebe Teilnehmer:innen des Philosophie-Kurses,

das ist ja mal etwas Besonderes, vielen Dank dafür. Ich bin gespannt, wie Sie das auswerten/weiter diskutieren.

Die Frage danach, was für mich Gerechtigkeit ist, berührt das Grundanliegen, das mich als LINKE (und als Gewerkschafterin) seit Jahrzehnten umtreibt. Wobei es mir vor allem um soziale Gerechtigkeit geht, die ohne breites Engagement gegen Ausbeutung, gegen die immer weiter aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich, gegen die Benachteiligung der Vielen und die Privilegierung der Wenigen nicht zu erreichen sein wird. Da mir kürzlich der höchst anschauliche OXFAM-"Bericht zur sozialen Ungleichheit" vom Januar 2023 untergekommen ist, zitiere ich daraus anschauungshalber mal einen zusammenfassenden Satz:

"Die Reichen werden immer reicher: Seit Beginn der Corona-Pandemie hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung rund zwei Drittel des weltweiten Vermögenszuwachses kassiert. Gleichzeitig leben 1,7 Milliarden Arbeitnehmer*innen in Ländern, in denen Lebenshaltungskosten schneller steigen als Löhne. Erstmals seit 25 Jahren haben extremer Reichtum und extreme Armut gleichzeitig zugenommen." (https://www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/soziale-ungleichheit-krisen-profite-reichstes-prozent-kassiert?utm_wec=11494&gclid=EAIaIQobChMIi-Dr2o-Q_gIVFZ7VCh3m2giQEAAYASAAEgKq6fD_BwE)

Darüber hinaus spannt sich für mich das Thema Gerechtigkeit über einen langen Zeitraum, besonders seit der Französischen Revolution 1789 mit ihren Parolen "Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!" (seit damals sitzen die fortschrittlichen Kräfte links im Parlament, während die monarchistischen und konservativen Vertreter:innen traditionell auf der rechten Seite Platz nehmen) über das deutsche Grundgesetz von 1949 mit den so wichtigen Formeln wie die der Unantastbarkeit der Würde des Menschen (Artikel 1), der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Artikel 3) sowie der Verpflichtung des Eigentums, das zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll (Artikel 14) bis hin zu den großen Menschheitsutopien einer friedlichen, gerechten und die Einheit von Natur und Mensch wahrenden Welt.

Breche ich diese großen Zusammenhänge beispielhaft auf meine fachpolitischen Schwerpunkte herunter, dann würde ich unter einer gerechten Stadtgesellschaft vor allem verstehen, dass alle Bürger:innen ein materiell abgesichertes Leben führen können, eine bezahlbare Wohnung und barrierefreie, kostenlose Zugänge zum ÖPNV und natürlich auch zu Bildung und Kultur haben. Angesichts der offenen, weiter aufgehenden Schere zwischen Arm und Reich muss es meines Erachtens darum gehen, schnellstmöglich mehr Gerechtigkeit durch ausgleichende Maßnahmen zu schaffen, beispielsweise durch eine erheblich stärkere Besteuerung der Reichen und einen höheren Mindestlohn, der ein menschenwürdiges Leben auch im Alter oder bei Krankheit ermöglicht. In unserer kapitalistischen Gesellschaft werden wir die Gerechtigkeit, so wie ich sie beschrieben habe, nicht erreichen können.

Wahre Gerechtigkeit kann und wird es erst geben, wenn die Gleichheit, der Schutz vor Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung auch im globalen Maßstab realisiert ist.

Beste Grüße

Heike Sudmann

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