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Heidi Reichinnek
Die Linke
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Frage von Emil B. •

Liebe Frau Reichinnek, historisch gesehen tendieren sozialistische Systeme zum Autoritären. Wieso sollte das bei dem von Ihnen geforderten "demokratischen Sozialimus" anders sein?

Als Vorsitzende einer Partei, die nichts Geringeres als den "Systemwechsel" fordert, würde mich brennend interessieren, wie Sie sich diesen Systemwechsel ohne die Verletzung von fundamentalen Menschenrechten vorstellen.

Mir ist dabei mehr als bewusst, dass auch kapitalistische Systeme autoritär sein können. Es gibt aber unbestreitbar deutlich mehr menschenrechtswahrende kapitalistische Demokratien als sozialistische.

Deshalb spitze ich es zu: Handelt es sich bei Ihrem "demokratischen Sozialismus" im Grunde nur um eine Begriffsdiskussion für ein System, wie wir es in Skandinavien sehen, also eine Sozialdemokratie? Oder behaupten Sie ernsthaft, ein komplett neues, noch nie da gewesenes System entworfen zu haben, das Menschenrechte besser schützt?

Gerade weil der "Systemwechsel" Ihr Hauptabgrenzungspunkt zu SPD und Grünen ist, die eben keinen Bruch mit dem Kapitalismus wollen, ist diese Klärung entscheidend.

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Antwort von
Die Linke

Für mich ist wichtig zu betonen: „Systemwechsel“ – so wie wir ihn anstreben – bedeutet keine Abschaffung von Grundrechten, sondern deren Stärkung. Die Linke grenzt sich ausdrücklich von autoritären Strukturen der Vergangenheit ab. Unser Ansatz ist kein neues autoritäres Experiment, sondern die Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft – das bedeutet konkret, dass wir eine Stärkung von Tarifrechten, Betriebsräten, Bürgerbeteiligung, Klimaschutz und sozialer Sicherheit anstreben. Demokratischer Sozialismus heißt nicht weniger, sondern mehr Demokratie: stärkere Rechte für Beschäftigte, Mitbestimmung in Betrieben, Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien – aber unter demokratischer Kontrolle. Wie genau wir uns das vorstellen, ist in unserem Wahlprogramm zur diesjährigen Bundestagswahl ausgeführt (https://www.die-linke.de/bundestagswahl-2025/wahlprogramm/).

Wichtig ist auch für uns die Abgrenzung zur Sozialdemokratie: Die skandinavischen Modelle sind Reformen innerhalb des Kapitalismus. Unser Ansatz ist radikaler – nicht nur Umverteilung, sondern Überwindung der kapitalistischen Profitlogik, etwa durch Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien, demokratische Kontrolle von Banken und Gemeinwohlorientierung. Gleichzeitig gilt: viele unserer konkreten Vorschläge wie Mietendeckel, Vermögenssteuer oder Ausbau des Sozialstaats sind kurzfristig auch mit sozialdemokratischen Reformen kompatibel.

Dabei bilden Menschenrechte unser Fundament, nicht eine Gefahr. Wir sehen uns ausdrücklich in der Tradition der Menschenrechtsbewegung und wollen klassische Freiheitsrechte mit sozialen Grundrechten – Wohnen, Bildung, Gesundheit, Arbeit – gleichrangig verwirklichen. Genaueres zu unseren Vorstellungen für eine bessere Welt sind in unserem Grundsatzprogramm (https://www.die-linke.de/partei/programm/) nachzulesen. 

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