Portrait von Gustav Herzog
Gustav Herzog
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Gustav Herzog zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Stefan R. •

Frage an Gustav Herzog von Stefan R. bezüglich Verkehr

Wie stehen Sie persönlich zu den Fälschungsvorwürfen an Studien über die Schädlichkeit der Mobilfundstrahlung?
https://www.diagnose-funk.org/download.php?field=filename&id=560&class=NewsDownload

https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail&newsid=1453

Biologische Auswirkungen wurden ja weit unterhalb unserer Grenzwerte schon zahlreich festgestellt.
- http://www.aerzte-und-mobilfunk.eu/ausgewaehlte-studien/mobilfunk-grenzwerte-gesundheit-risiko-vorsorgewerte/
- https://www.emfdata.org/de

Gesichert nachgewiesen wurde eine Öffnung der Blut-Hirn-Schranke https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail?newsid=1061 zwar erst an Laborratten, aber eindeutig unterhalb der thermischen Schwelle und weit unterhalb unserer Grenzwerte.

Als gesichert gilt auch die Beeinflussung der Hirnströme am Menschen (Schweizer Bundesamt für Umwelt, zitiert in WD 049/19 Seite 9). Trotzdem kursiert (auch seitens BfU und WD) das irreführende Fazit, 'gesundheitliche Auswirkungen seien nicht eindeutig bestätigt'. Dies impliziert die Auffassung, es sei womöglich gar nicht ungesund, unsere Gehirnströme zu beeinflussen.

Konkrete Frage: Halten Sie persönlich diese Sichtweise für ethisch akzeptabel? Würden Sie ihre eigenen Hirnströme stören lassen? Und würden Sie es zulassen, die Störung der Blut-Hirn-Schranke, nach schon erfolgtem Laborratten-Nachweis, an der Bevölkerung erneut nachzuweisen?

Wie groß schätzen Sie persönlich die Gefahr ein, dass solche verharmlosenden 'Resumees' von Bundestagsabgeordneten ernst genommen und als Entscheidungsgrundlage bei 5G-Ausbau herangezogen werden?

Darf es angesichts der Fakten noch einen Grund geben (und welchen?), die Forderungen der renommierten Ärzteverbände nach einem Moratorium für 5G bis zur zweifelsfreien Klärung NICHT sofort umzusetzen?

Jeglicher 5G-Netzausbau vor einer Klärung müsste ja einen wichtigeren Grund haben als der in § 2 GG und § 20a GG gewährleistete Schutz der Bevölkerung und der natürlichen Umwelt.

Portrait von Gustav Herzog
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reich,

mit ihren Fragen sprechen sie sehr aktuelle und hoch komplexe Themen an. Das geht von grundsätzlichen Fragen des Einsatzes von Technik bis hin zu der gesellschaftlichen Entwicklung, dass persönliche Haltung und wissenschaftliche Realität häufig miteinander gleichgesetzt werden. Es ist wichtig, dass wir sorgsam mit den Ängsten und Sorgen der Menschen umgehen, diese also weder ignorieren, noch manipulativ ausnutzen.

In ihrer Mail beziehen sie sich mehrfach auf dieselben Quellen (diagnose-funk und aerzte-und-mobilfunk), welche sich wiederum ihrerseits auf nur wenige Quellen beziehen. In diesem selbstreferenziellen System entstehen schnell solche Sätze wie "Als gesichert gilt auch ...".

Wie gehe ich als verantwortungsbewusster Abgeordneter, der als technikbegeisterter Chemielaborant in seiner Jugend gegen Atomkraftwerke demonstrierte, mit der Frage nach gesundheitlichen Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunks um?

Gestatten Sie mir zunächst einige Worte zur 5G-Mobilfunktechnologie: Bei 5G sprechen wir zunächst einmal „nur“ von einem neuen Mobilfunkstandard, der in unserer Betrachtung in Verbindung mit den zuletzt versteigerten Frequenzen nicht mehr oder weniger gefährlich ist als die Vorläufergenerationen. Für die Abwägung eines zusätzlichen potentiellen Risikos müssen wir jedoch differenzieren. Zunächst wesentlich ist das Frequenzband, auf dem gesendet werden soll. Bei den dafür vorgesehenen Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,4 GHz bis 3,7 GHz kann man auf Erfahrungen und Untersuchungen zu anderen Anwendungen zurückgreifen, die sich auf eine Funkübertragung stützen. Gängige Modelle von WLAN-Routern senden beispielsweise in Frequenzbereichen 5 GHz und höher.

Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft (vgl. Bundesamt für Strahlenschutz) gibt es keinerlei Erkenntnisse darüber, dass die elektromagnetischen Felder von WLAN-Geräten generelle Gesundheitsrisiken bergen. Es gibt darüber hinaus keinen Grund anzunehmen, dass Forschungsergebnisse zu vorhergehenden Mobilfunkstandards nicht auch auf 5G übertragbar sind. Bei Einhaltung der Grenzwerte ist nach aktueller Studienlage nicht von gesundheitlichen Schäden auszugehen, das gilt erst einmal auch für die Standards der fünften Mobilfunkgeneration 5G.

Stiftung Warentest hat kürzlich die Studienlage gesichtet und Entwarnung gegeben. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Faktenchecks finden Sie unter folgendem Link: https://www.sueddeutsche.de/digital/handystrahlung-5g-stiftung-warentest-1.4578327.
Dort ist auch zu lesen, dass die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation Mobilfunk im Jahr 2011 als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft hat. Dazu sollte auch gesagt werden, dass rund 300 Substanzen laut IARC-Bewertung in diese Kategorie fallen, unter anderem saures Gemüse (vgl. http://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/wirkung/iarc/iarc_node.html).

Es gibt natürlich Aspekte, die wir aufmerksam betrachten. Das sind einerseits die mit 5G zu erwartende exponentiell steigendende Anzahl an funktechnischen Endgeräten (Fahrzeugen, Sensoren, Drohnen,…) und andererseits die Funkanlagen in den Stadtmöbeln, die im Ultranahbereich mit diesen vernetzt werden sollen. Auf diese Fragestellungen zukünftiger Netze lenken wir unsere Aufmerksamkeit. Allerdings sind wir hier von einem unter Umständen wirksamen Bereich noch Jahre entfernt.

Der Ausbau der 5G-Netze in der Fläche wird auf leistungsfähigen LTE-Netzen aufbauen. Da hierfür bereits fundierte Ergebnisse der Risikoforschung vorliegen, werden wir in den kommenden Jahren zunächst die Lücken im LTE-Netz schließen, bevor 5G-basierte Technologien sukzessive aufgebaut werden. Es ist damit zu rechnen, dass sie mit der Vergabe von Flächenfrequenzen im Jahr 2025 mehr in die Fläche gehen. Die Zeit bis dahin werden wir nutzen, um Forschung und Entwicklung in diesem Bereich zu betreiben.

Die von Ihnen vorgetragenen Bedenken sind uns also bekannt, den dahinterstehenden Argumenten möchten wir auf den Grund gehen.

Zu diesem Zweck habe ich als Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für digitale Infrastruktur eine Fachgesprächsreihe zu der Frage gesundheitlicher und ökologischer Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder durch Mobilfunk in die Wege geleitet. Gemeinsam mit fachlich zuständigen Berichterstattern aus den Arbeitsgruppen Gesundheit, Umwelt und Naturschutz, Bildung und Forschung und Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion werden in den kommenden Monaten Sachverständige aus verschiedenen Bereichen eingeladen und angehört.

Vorgesehen sind Fachgespräche mit Vertreterinnen und Vertretern aus Ministerien und Bundesbehörden, Geräteherstellern und Mobilfunkunternehmen, Wissenschaft und Forschung, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden sowie Gewerkschaften. Ziel der Gesprächsreihe ist es, auf breiter Basis eine Expertise zu dem Thema zusammenzutragen, diese einer umfassenden Betrachtung zu unterziehen und mit allen Beteiligten zu diskutieren. Damit soll anschließend eine Entscheidungsgrundlage erarbeitet werden, wie mit der zu erwartenden Zunahme elektromagnetischer Felder im Alltag der Menschen umzugehen ist.

Sehr geehrter Herr Reich, wie Sie sehen, nehmen ich und meine Kolleginnen und Kollegen die vorgetragenen Bedenken ernst und haben bereits die Initiative ergriffen, um gegebenenfalls negativen Auswirkungen des Netzausbaus auf Mensch und Umwelt entgegenzuwirken.

Mit freundlichen Grüßen

Gustav Herzog

Nachtrag: Den von Ihnen zitierten Ausführungen der "diagnose:funk" zu Fälschungsvorwürfen an Studien der Stiftung Warentest und dem Bundesamt für Strahlenschutz können wir aus den zuvor dargelegten Gründen nicht folgen.