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Gerhard Schick
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Verona S. •

Frage an Gerhard Schick von Verona S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Schick,

Sie schreiben in einer Antwort in diesem Forum "Generell haben wir Grüne uns dagegen gewehrt, angesichts der Terrorismus-Gefahr die Bürgerrechte auszuhebeln oder einzuschränken". Wie begründen Sie die Zustimmung - nicht Enthaltung - der Grünen bei zum
- Terrorismusgesetz "Schily II", das das im Grundgesetz verankerteTrennunggebot von Polizei und Nachrichtendiensten verwischt,
- die Erfassung biometrischer Daten auf Ausweispapieren
- die Zustimmung zur Weitergabe der Fluggast-Daten bei Transatlantikflügen
- die Ausweitung der Gendatei
- die Verlängerung der Schleierfandung
- die Zugriffsmöglichkeit jeder Behörde auf Kontendaten unbescholtener Bürger ohne Begründung und ohne Information an den Betroffenen
- das Luftsicherheitsgesetzt, das derzeit vor dem Verfassungsgericht behandelt wird
- die Telefon- und Wohnraumüberwachung, die gerade vom Verfassungsgericht in die Schranken gewiesen wurde
usw.
All diesen Gesetzten der letzten 4 Jahre hat Ihre Partei aktiv zugestimmt. Wo sehen Sie sich als Bürgerrechtspartei - abgesehen davon dass Bündnis 90 aus der Bürgerrechtsbewegung entstanden ist?

Mit freundlichen Grüßen
Verona Seitz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Seitz,

durch die Mitarbeit an den von Ihnen genannten Gesetzen ist es uns gelungen, eine Reihe von Regelungen festzuschreiben, die zum Schutz der Bürgerrechte außerordentlich wichtig sind. So wurden die Regelungen zum Bundesverfassungsschutzgesetz, dem BND-Gesetz, dem MAD-Gesetz, dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz sowie dem § 7 Abs. 2 des BKA-Gesetzes auf 5 Jahre befristet und unter einen Evaluierungsvorbehalt gestellt. Auch bei der Rasterfahndung haben wir Erfolge erzielt: Wir haben die Weitergabe von Gesundheitsdaten verhindert. Zunächst war geplant, dass nicht weiter eingegrenzte Sozialdaten weitergegeben werden dürfen. Durch die Mitarbeit der Grünen am Gesetzgebungsvorgang wurde durchgesetzt, dass nur die Daten weitergegeben werden dürfen, die ausdrücklich im Gesetz aufgeführt sind.
Der Datenaustausch vom Verfassungsschutz mit anderen Behörden wurde auf das absolut notwendige Mindestmass beschränkt. So dürfen nur Daten weitergegeben werden, die die Sicherheit von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen betreffen. Eine Weitergabe von Daten an Banken, Sicherheitsdienste und andere Stellen, die das Bundesinnenministerium anfangs auch geplant hatte, konnten wir verhindern.
Wir haben dafür gesorgt, dass im Gesetz festgeschrieben wurde, dass es keine zentrale Speicherung der Daten geben darf und dass alles weitere (der Einführungszeitpunkt, die Auswahl des zusätzlichen biometrischen Merkmals und die Art der Speicherung) durch Gesetz festgelegt werden sollte. Es wird also nicht der Innenminister durch Rechtsverordnung einen Fingerabdruck im Pass einführen können, wie dies zunächst geplant war.
Eine Verordnung der EU-Rates vom 13. Dezember 2004, die in Deutschland unmittelbar gilt, sieht jetzt allerdings vor, dass Reisepässe fortan zwei verbindliche biometrische Merkmale enthalten müssen. Das digitale Gesichtsbild soll ab Mitte 2006 in allen von den EU-Mitgliedsstaaten ausgegebenen Pässen enthalten sein. In einem zweiten Schritt sind die Fingerabdrücke des Passinhabers einzubringen. Für Deutschland hat der Bundesinnenminister an den Verhandlungen teilgenommen. Er hat dabei den vom Bundestag, also besonders von uns Grünen vorgesehenen Gesetzesvorbehalt nicht vertreten. Auch das europäische Parlament war nicht aktiv an diesem Verfahren beteiligt, es bot sich also für Bündnis 90 / Die Grünen keine Möglichkeit, diese Änderung der ursprünglichen Regelung zu verhindern.
Das Gesetz zur Telefon- und Wohnraumüberwachung, das am 27.7.2005 vom Verfassungsgericht kassiert wurde, sah in der Tat vor, dass Bürger ohne konkreten Hinweis auf Straftaten belauscht werden können. Dies war aber kein von Rot-Grün beschlossenes Bundesgesetz, sondern ein von der schwarz-gelben Landesregierung in Niedersachsen verabschiedetes Gesetz. Wir Grüne begrüßen die Entscheidung des Verfassungsgerichts, da wir dieses Gesetz von Anfang an kritisiert haben.
Die Gesetzesänderungen im Bereich der Gen-Datei bewegen sich ausschließlich innerhalb des engen vom Verfassungsgericht vorgegebenen Rahmen. So besagt eine Änderung, der wir Grünen zugestimmt haben, lediglich, dass DNA-Daten nach Sexualstraftaten gespeichert werden dürfen, ohne dass zuerst die „Erheblichkeit“ der Straftat geprüft werden muss. Weitere Änderungen, die wir anstreben, betreffen dass Auswerten anonymer Spuren. Die bisher vorgesehene richterliche Überprüfung halten wir für unsinnig, da der Richter die Interessen eines anonymen Täters nicht abwägen kann.
Ebenso wollen wir klare Regeln für Massengentests aufstellen. Bisher werden solche Tests auf freiwilliger Basis durchgeführt, was zur Folge hat, dass sich verdächtig macht, wer einen solchen Test verweigert und keine ausreichenden Regeln für die Speicherung der gewonnenen Daten bestehen. Eine klare Regelung wäre also gerade für die Betroffenen ein bedeutender Gewinn an Rechtssicherheit.

Insgesamt bin ich der Meinung, dass wir Grüne besonnen und maßvoll auf die Bedrohung durch den Terrorismus reagiert haben. Wir haben blinden Aktionismus auf Kosten der Bürgerrechte verhindert und zugleich die Bürger durch einzelne Gesetzesänderungen möglichst gut geschützt. Weitere wichtige Bürgerrechtserfolge haben wir im Bereich Verbraucherschutz vor, so z.B. den Schutz vor der systematischen Erfassung von Kundendaten.

Viele Grüße
Gerhard Schick