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Gerhard Schick
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Frage von Reinhard W. •

Frage an Gerhard Schick von Reinhard W. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Schick,

im Zusammenhang mit der Bankenkrise wird meines Erachtens zu wenig über die Zusammenhänge informiert und diskutiert. Mich würde interessieren, wer eigentlich die Gläubiger zu den neu aufgenommenen Staatsschulden sind.

Entspricht es den Tatsachen, dass zum Teil der Staat Schulden bei den Banken aufnimmt, die wiederum mittelbar zu den "heimlichen Profiteuren" der Bankenrettung zählen?

Ist es dann nicht absurd, wenn solche Banken Zinsen für genau die Geldmittel vom Steuerzahler erhalten, die letztlich deshalb als Schulden aufgenommen werden mussten, damit diese Banken nicht ebenfalls zusammenbrechen?

Eine weitere Frage:
Nach verschiedenen Quellen war ein wesentlicher Treiber bei der Vermarktung hochbrisanter Derivate die Deutsche Bank, die allerdings das Risiko wissentlich auf weitere Banken - z.B. die IKB - gestreut hatte (siehe u.a. http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_249294 und http://wissen.manager-magazin.de/wissen/dokument/16/81/dokument.html?id=52661861&top=MM&suchbegriff=&quellen=&vl=0. )

Liegt es nicht in der Verantwortung einer Bank, wenn sie neue Finanzprodukte kreiert, das damit verbundene Spekulationsrisiko transparent zu machen? Nachdem das Platzen der Immobilienblase in den USA spätestens 2007 in Bankkreisen als Tatsache hingenommen wurde: Erfüllt es nicht i.e.S. den Tatbestand des vorsätzlichen Betrugs, wenn weiterhin mit solchen Derivaten nicht nur gehandelt wurde, sondern zum Teil zur Verschleierung der Risiken immer neue Konstrukte an den Markt gebracht wurden?

Wird sich zu diesem Themenkomplex ein Untersuchungsausschuss des BT befassen?

Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Wartenhorst

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wartenhorst,

Ihr Interesse daran, wer die Gläubiger der deutschen Staatsverschuldung sind, kann ich außerordentlich gut nachvollziehen – auch mir würden diese Informationen in meiner politischen Arbeit sehr weiterhelfen. Jedoch gibt es wohl wenige besser gehütete Geheimnisse der Bundesrepublik als dieses: mit Rücksicht auf die Interessen der Geldgeber verhindert das Bankgeheimnis bzw. Geheimhaltungspflichten im Kreditwesengesetz die Offenlegung. Nicht einmal die „Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur“, eine 100-prozentige Tochter des Bundes, die die Kreditaufnahme regelt, kennt die Geldgeber.

Die einzige, sehr grobe Statistik gibt es von der Bundesbank, die die Gläubiger in gerade einmal fünf Kategorien unterteilt. Danach hielten im Juli 2009 von den deutschen Schulden 51% das Ausland, 28% deutsche Kreditinstitute und 20% inländische Nichtbanken. Das verbleibende Prozent teilt sich auf in Schulden, die bei der Bundesbank und bei den Sozialversicherungen aufgenommen wurden. Anhand dieser Statistik ist eine Beantwortung ihrer Frage, ob der Staat Schulden bei unterstützten Banken aufnimmt, also leider nicht möglich, auch wenn die Antwort in der Tat höchst interessant wäre. Dass unter den 28% auch gestützte Kreditinstitute sind, ist zwar wahrscheinlich, kann aber nur Spekulation bleiben.

Zu ihrer zweiten Frage: Der Vertrieb von derivativen Anlageprodukten mit hohem Risiko war lange Zeit ein lohnendes Geschäftsmodell – auch, aber nicht nur für die Deutsche Bank. Retailderivate, auch als Zertifikate gezeichnet, der pleite gegangenen Bank Lehman Brothers beispielsweise, die deutschen Anlegern Totalverluste beschert haben, wurden von vielen deutschen Banken verkauft, bis hin zu den Sparkassen. Und seit Februar dieses Jahres wächst der Markt für Zertifikate schon wieder, nachdem er seit September 2007 geschrumpft war.

Dass viele Anleger nicht über die Risiken einer solchen Anlage informiert werden, ist ein unhaltbarer Zustand, da haben Sie völlig recht. Das Problem: Die gesetzlichen Voraussetzungen für mehr Transparenz und einen besseren Anlegerschutz in diesem Bereich fehlen völlig – und die Bundesregierung hat sich nicht darum gekümmert. Die Banken werden aber nicht von sich aus handeln, hier ist die Politik gefragt. Auf meiner Homepage (www.gerhardschick.net) finden Sie unter dem Punkt „Verbraucherschutz bei Finanzprodukten“ weitere, ausführliche Informationen zu diesem Themenkomplex. Dass wirksame Maßnahmen für mehr Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten weiter auf sich warten lassen, ist ein politisches Versagen.

Ich hatte mich schon im Sommer 2008 für einen Untersuchungsausschuss zur Finanzkrise eingesetzt, der die Fehlentwicklungen insbesondere bei IKB, SachsenLB, aber auch allgemein bei der Finanzaufsicht beleuchten sollte. Damals fehlte die Zustimmung der FDP. Im Untersuchungsausschuss, der die Vorgänge bei der Rettung der „Hypo Real Estate“ durchleuchtet, können wir nun immerhin die Umstände des Scheiterns und der Rettung dieser Bank aufklären. Dabei konnte ich herausfinden, dass die Banken immer noch an der Rettung der HRE profitieren, obwohl diese Rettung ja auch eine Rettung der deutschen Banken war. Allein die Deutsche Bank verdient an der Rettung bis zu 100 Millionen Euro. Das tragen die Eigentümer der HRE – also die deutschen Steuerzahler. Da gibt es einiges zu korrigieren.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick