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Franz Untersteller
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Frage von Herbert S. •

Frage an Franz Untersteller von Herbert S. bezüglich Finanzen

Ich habe mich aufgeregt, dass Regierung und Parlament jetzt eine 20 Milliarden EUR Bürgschaft für das durch schlechte Regierungen und viel Korruption heruntergekommene, hoch verschuldete Griechenland abgegeben haben, ohne wir als Bürger, Steuerzahler und wirklichen Bürgen um Erlaubnis zu fragen! Haften wir doch - wie jeder Bürger vom Säugling bis zum Greis - mit jeweils EUR 250,- dafür, eine vierköpfige Familie also mit EUR 1000,-

Dabei ist das nur eine einmalige Sache, und nur ein (allerdings erhebliches) Risiko für den Fall, dass die Griechen den damit ermöglichten Kredit nicht zurückzahlen können.
Da geht es um ganz andere Größenordnungen als bei der Griechenlandbürgschaft, und da dürfen wir nicht nur einmalig bürgen, sondern müssen dauernd zahlen, jeden Monat eines jeden Jahres wieder und wieder.

Ist das nicht Größenwahnsinn?
Ich kann einfach nicht glauben, dass inteligente Politiker so etwas in einer Demokratie beschließen!

Keine Bank hier würde sich auf so etwas einlassen. Wir können doch gar nicht bürgen.

Bitte seien Sie ehrlich! Was steckt nach ihrer Meinung hinter so einem Beschluß?

Und die anderen wackeligen EU-Kandidaten? Dazu noch Großbritanien und die USA? Sollen die auch noch unsere Hilfen erhalten?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Streit,

Ich möchte versuchen die Bedenken, die zu ihrer ablehnenden Haltung für die "Griechenland-Hilfe" führen, zu entkräften:

Ohne Hilfe, da bin ich mir mittlerweile sehr sicher, wäre Griechenland in den Staatsbankrott gelaufen und die Spekulation gegen Portugal,Spanien, Irland und andere hätten den Euro in kürzester Zeit zugrunde gerichtet. Das wiederum würde in Europa wirtschaftliches und soziales Chaos anrichten und deutsche Wirtschaftsinteressen massiv verletzen. Aus diesem Grund halte ich auch die am Wochenende auf EU-Ebene gefallenen Beschlüsse für ein Euro-Rettungspaket grundsätzlich für alternativlos.

Gerade die einfachen Leute wären in Griechenland von den Folgen eines Staatsbankrotts extrem betroffen. Die Finanzhilfen sind ein Gebot europäischer Solidarität und ökonomischer Vernunft.

In Griechenland müssen nun allerdings gezielt Maßnahmen gegen Korruption, Steuerhinterziehung, Klientelwirtschaft und öffentliche Verschwendung getroffen werden. Griechenland hat sich gegenüber dem IWF und den Euro-Staaten zu einem Sparprogramm verpflichtet, das in seiner Größenordnung einzigartig ist. Der Erfolg der griechischen Reformen hängt auch davon ab, dass sie nicht in sozialer Schieflage umgesetzt werden. Gerade die Vermögenden haben in Griechenland in den letzten Jahren kaum Steuern gezahlt. Entscheidend ist, dass es dem griechischen Staat gelingt, dies wirklich zu ändern ohne dass Griechenland jetzt in eine starke und lang anhaltende Rezession abgleitet.

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat dem Hilfspaket aus meiner Sicht völlig zugestimmt, weil ein Nichthandeln schlimme Folgen für die Griechen und den Rest Europas gehabt hätte. Dennoch habe auch ich in vielen Punkten scharfe Kritik sowohl am Hilfsprogramm des IWF als auch an der Bundesregierung.

Das Krisenmanagement der Bundesregierung war in den letzten Wochen miserabel. Sie hat viel zu lange gezögert was uns zusätzliche Milliarden kostete, denn die Nothilfe für Griechenland ist während ihres Zauderns durch Spekulation in die Höhe getrieben worden. Aber wegen der NRW Wahl und weil die Finanzhilfen natürlich unpopulär sind, hat Angela Merkel die „Madame Non“ gespielt und - wie wir mittlerweile allerdings wissen vergeblich - gehofft, sich über den Wahlsonntag zu retten. Ihr Pokerspiel kommt deutsche Steuerzahler jetzt teuer zu stehen.

Union und FDP verweigern sich vorsorgenden Maßnahmen gegen künftige Finanzkrisen. Wir Grüne fordern strukturelle Veränderungen in der europäischen Währungsunion, der EU und in der internationalen Finanzarchitektur, damit Krisen in Zukunft unwahrscheinlicher werden. Wir wollen Banken, Versicherungen und andere Finanzinstitute, an der Bewältigung derartiger Krisen beteiligen durch eine Finanztransaktionssteuer, die spekulationsdämpfend wirkt und Mittel für Rettungsmaßnahmen generiert. Union und FDP sind dagegen.

Wir wollen in Zukunft bei Schuldenkrisen die Gläubiger stärker in die Verantwortung nehmen durch Umschuldungsverfahren und Regelungen zur geordneten Insolvenz von Staaten. Union und FDP schützen immer die Gläubiger.

Wir wollen eine Ergänzung der EU-Währungsunion um eine EU-Wirtschaftspolitik, also eine funktionierende wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung. Dauerhafte Ungleichgewichte wie das Außenhandelsdefizit Griechenlands müssen zu Krisen führen, hier muss schneller gegengesteuert werden. Wir hätten uns eine Vorrangigkeit der staatlichen Gläubigerforderungen für den privaten gewünscht.

Mit besten Grüßen

Franz Untersteller MdL