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Frage von Gerd B. •

Frage an Frank Kuschel von Gerd B. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Kuschel,

immer mehr Aufgaben werden auf die Kommunen verlagert. Halten Sie unter diesen Umständen die derzeitige Finanzierung besonders über die Gewerbesteuer noch für zeitgemäß ?
Können Sie sich vorstellen, dass Thüringen eine Bundesratsinitaitive zur Abschaffung der Gewerbesteuer und Einführung eines kommunalen Hebesatzrechts auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer (wie in den USA oder der Schweiz praktiziert) einbringt ?

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Frage:
Sehr geehrter Herr Kuschel,
immer mehr Aufgaben werden auf die Kommunen verlagert. Halten Sie unter diesen Umständen die derzeitige Finanzierung besonders über die Gewerbesteuer noch für zeitgemäß? Können Sie sich vorstellen, dass Thüringen eine Bundesratsinitaitive zur Abschaffung der Gewerbesteuer und Einführung eines kommunalen Hebesatzrechts auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer (wie in den USA oder der Schweiz praktiziert) einbringt?

Antwort:
Sehr geehrter Herr Beck,
ich teile Ihre Einschätzung, wonach die Kommunen schon seit Jahren unterfinanziert sind. Die kommunalen Steuereinnahmen der Thüringer Kommunen decken gegenwärtig nur rund 20 Prozent der Ausgaben ab. Nahezu 60 Prozent der Ausgaben müssen deshalb über Landeszuweisungen finanziert werden. Dies führt zu einer hohen finanziellen Abhängigkeit der Thüringer Kommunen vom Land. Die übrigen Einnahmen von rund 20 Prozent erwirtschaften die Kommunen aus dem laufenden Betrieb. DIE LINKE fordert ähnlich wie die kommunalen Spitzenverbände eine grundsätzliche Reform der Kommunalfinanzen. Ziel ist es dabei, dass die eigenen Steuereinnahmen der Kommunen steigen. Eine solche Reform kann nur auf Bundesebene erfolgen. Die Länder können und müssen jedoch in dieser Hinsicht den Druck auf den Bund erhöhen. Leider wurde auch im Rahmen der Föderalismusreform II keine kommunale Finanzreform realisiert. Es gab nur einige wenige Änderungen bei der Gewerbesteuer. Und da bin ich bereits bei Ihrer konkreten Nachfrage zur Zukunft der Gewerbesteuer. Bevor ich Ihnen hier antworte, will ich nur noch anmerken, dass DIE LINKE in ihrem Steuerkonzept auch Vorschläge zur Reform der Kommunalfinanzierung unterbereitet hat. Im Kern fordert DIE LINKE einen höheren Anteil der Kommunen am Aufkommen der Einkommenssteuer (20 Prozent, derzeit 15 Prozent), eine Reform bei der Grundsteuer (reale Verkehrswertermittlung bei den Immobilien) und Änderungen bei der Gewerbesteuer, um deren Konjunkturabhängigkeit zu begrenzen.

Das Steuerkonzept der LINKEN ist ein Diskussionspapier und insofern unbestritten noch gestaltbar. Und tatsächlich gibt es auch in der LINKEN Diskussionen über die künftige Ausgestaltung der Gewerbesteuer. Dabei gibt es auch den Vorschlag, die Gewerbesteuer abzuschaffen und durch ein kommunales Hebesatzrecht auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer zu ersetzen.

Ich will Ihnen, da die Diskussion in der LINKEN noch nicht abgeschlossen ist, meine persönliche Meinung zur Zukunft der Gewerbesteuer mitteilen.

Ein kommunales Hebesatzrecht auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer würde aus meiner Sicht die Konkurrenz zwischen den Kommunen verstärken. Insofern stehe ich diesem Vorschlag kritisch gegenüber. Ich bin für das Prinzip der Kooperation der Kommunen, anstelle der zunehmenden Konkurrenz.

Andererseits halte ich aber auch die Gewerbesteuer in ihrer jetzigen Ausgestaltung für reformbedürftig. Sie ist trotz der Einführung einiger gewinnunabhängiger Berechnungselemente nach wie vor gewinnabhängig und somit für die Gemeinden sehr stark konjunkturgeprägt. Gerade in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise verspüren das die Kommunen schmerzvoll. Schätzungen gehen davon aus, dass die Thüringer Kommunen in diesem Jahr mit einem Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen von mindestens 20 Prozent rechnen müssen, einige Experten befürchten sogar eine Halbierung des Gewerbesteueraufkommens. Deshalb haben die Kommunen natürlich ein Interesse daran, die Gewerbesteuer konjunkturunabhängiger auszugestalten. Dabei besteht aber die Gefahr, dass die Gewerbesteuer die Wirkung einer Substanzsteuer erhält, also vermögensverzerrend wirken kann. Zudem besteht die Gefahr, dass die Berechnung der Gewerbesteuer immer komplizierter wird, was die Transparenz und in der Folge auch die Akzeptanz senkt. Da kann ich durchaus die Diskussionen zur Ersetzung der Gewerbesteuer durch ein kommunales Hebesatzrecht auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer nachvollziehen, weil hier eben auch der bürokratische Aufwand bei der Berechnung reduziert wird.

Ich bin überzeugt, dass die Gewerbesteuer auch als Bindeglied zwischen der örtlichen Wirtschaft und der Kommune reformierbar ist. Die Berechnungsmethoden könnten entbürokratisiert und die Wirkung als Substanzsteuer ausgeschlossen werden, wenn man die Gewerbesteuer in Richtung „Wertschöpfungsteuer“ entwickelt. Die Wertschöpfung eines Unternehmens wird bereits jetzt im Rahmen der Umsatzsteuerberechnung ermittelt. Auf diese Daten könnte man bei der Wertschöpfungssteuer zurückgreifen. Die Gefahr des Substanzbesteuerung wäre zudem gering (auch wenn mir bewusst ist, dass die Wertschöpfung nicht mit dem Gewinn gleichzusetzen ist) und die Bindewirkung zwischen örtlicher Wirtschaft und Kommunen bliebe auch bestehen. Schließlich wäre auch das Problem „Faktor Arbeit“ bei der Besteuerung nahezu gelöst. Die betriebswirtschaftliche Situation der Unternehmen würde zudem stärker berücksichtigt.

Ich bin jedoch auch für eine Diskussion der Kopplung der verschiedenen Reformmodelle offen. Es ist durchaus denkbar, Elemente der Wertschöpfungssteuer mit Elementen des kommunalen Hebesatzrechtes auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer zu verknüpfen.

Bei allen Diskussionen muss jedoch gesichert werden, dass die Kommunen die notwendigen Einnahmen bekommen, die für die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung erforderlich sind. Zudem muss auch die Wirtschaft entsprechend ihrer Leistungskraft an der Finanzierung der Kommunen und des Staates beteiligt bleiben. Es ist nicht länger akzeptabel, dass nahezu 85 Prozent der Steuereinnahmen durch die Lohnbezieher und Verbraucher aufgebracht werden.

Mit freundlichem Gruß

Frank Kuschel