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Florian Toncar
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Frage von Robert S. •

Frage an Florian Toncar von Robert S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Toncar,

Wie Sie sicherlich wissen droht in der sudanesischen Krisenregion Darfur eine humanitäre Katastrophe. Nachdem der Internationale Strafgerichtshof am 4. März 2009 einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der sudanesischen Region Darfur erlassen hat, reagierte die sudanesische Regierung mit der Ausweisung von 13 humanitären Hilfsorganisationen, unter anderem Oxfam, Ärzte ohne Grenzen und Care. Die im Sudan verbliebenen Organisationen sind mit der Situation überfordert, eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an. Es fehlt an Wasser, Nahrungsmitteln, sanitären Anlagen und ausreichender medizinischer Versorgung. Die Vereinten Nationen sprachen kurz nach der Ausweisung der Organisationen von ca. 1.1 Millionen Darfuris, die ohne Nahrung und Gesundheitsfürsorge auskommen müssen, und von einer weiterer Millionen ohne Zugang zu Wasser. Die Situation kann zu neuen Flüchtlingsströmen vor allem in den benachbarten Tschad führen, wo schon ca. 200000 vertriebene Darfuris leben. Die Arbeit der im Sudan verbliebenen humanitären Hilfsorganisationen wird wahrscheinlich bald beendet werden, da Präsident Bashir angekündigt hat, dass alle internationalen Hilfsorganisationen ihre Arbeit im Sudan innerhalb eines Jahres einstellen müssen.

Über Ihre Aussage zu folgenden Fragen wäre ich dankbar:

1) Welche Maßnahmen ergreifen Deutschland und die EU, um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden?
2) Wie werden Deutschland und die EU mit dem Regime in Khartum nach dem Haftbefehl gegen Bashir wegen Massenverbrechen in Darfur umgehen?
3) Die EU27 ist nach China der zweitgrößte Exporteur in den Sudan. Sind Sie für gezielte Sanktionen gegen das Regime in Khartum?

Mit freundlichen Grüßen,
Robert Schütte

(Vorsitzender Genocide Alert)

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schütte,

danke für Ihre E-Mail. Die Situation in Darfur ist weiterhin sehr angespannt. Die FDP-Bundestagsfraktion plant, zeitnah eine Kleine Anfrage vorzulegen, um das weitere Vorgehen der Bundesregierung hinsichtlich der aktuellen Entwicklung im Sudan abzufragen.

Wie Sie wissen, unterstützt die Bundesregierung den Aufbau der gemeinsamen neuen Friedensmission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union (AU) in Darfur (UNAMID), die vom VN-Sicherheitsrat am 31. Juli 2007 eingerichtet wurde. Leider geht der Aufbau des Kontingentes nur schleppend voran. Um eine hohe politische Akzeptanz in der Region zu gewährleisten, soll der Hauptteil der Truppe von afrikanischen Truppenstellern beigetragen werden. Deutschland beteiligt sich mit Unterstützung im Bereich Lufttransport.

Die Ausstellung eines am 04.03.2009 erlassenen internationalen Haftbefehls durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gegen den sudanesischen Präsidenten Bashir hat das Regime in Khartum dazu veranlasst, 13 humanitäre Hilfsorganisationen aus der Krisenregion Darfur auszuweisen. Dennoch ist es für einige Hilfsorganisationen weiterhin möglich, ihre Arbeit in Darfur fortzusetzen. Nach der Ausweisung ist nach Angaben der Vereinten Nationen (VN) die humanitäre Versorgung von 4,7 Millionen Menschen in Darfur bedroht. Vorhandene Hilfsgüter seien bis Ende April ausgeschöpft. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden 1,5 Millionen Menschen in Darfur vom Abbau der Gesundheitsdienste betroffen sein. Deutschland und die EU haben den Sudan daher mehrfach explizit dazu aufgefordert, die ausgewiesenen Hilfsorganisationen wieder in das Krisengebiet zurückkehren zu lassen und die Arbeit der verbliebenen Helfer nicht länger durch bürokratische Schikanen zu behindern.

Ob die Bundesregierung politische und wirtschaftliche Sanktionen gegen das Regime in Khartum bzw. gegen einzelne Regierungsmitglieder unterstützt, ist derzeit unklar. Sollte sich die internationale Staatengemeinschaft dazu entschließen, weitere Strafmaßnahmen gegen die politisch Verantwortlichen im Sudan zu beschließen, ist jedoch zu befürchten, dass die Regierung in Khartum ihrerseits weitere Vergeltungsmaßnahmen ergreifen könnte, die sich gegen die in Darfur operierenden Hilfsorganisationen richten und damit mittelbar zulasten der dortigen Bevölkerung gehen. Daher scheint im Interesse der Sicherheit der Zivilbevölkerung in Darfur ein besonnenes Vorgehen dringend angezeigt. Die internationale Staatengemeinschaft sieht sich derzeit leider mit einer Situation konfrontiert, in der die sudanesische Regierung auf zynische Weise die Zivilbevölkerung Darfurs als eine Art politische Geisel missbraucht.

Deutschland befürwortet die Umsetzung des internationalen Haftbefehls gegen den sudanesischen Präsidenten al-Bashir. Trotz einiger als Provokation gedachter Auslandsreisen al-Bashirs in Nachbarstaaten des Sudans, bei denen der Präsident unbehelligt blieb, scheint der Haftbefehl eine psychologische Wirkung im Machtzentrum des Sudans erzielt zu haben. Laut Presseberichten gibt es Anzeichen, dass innerhalb der sudanesischen Machtelite über einen Führungswechsel nachgedacht wird, um die mit der Person al-Bashirs und seiner rücksichtslosen Politik verbundene Belastung für das internationale Ansehen des Sudans zu erleichtern. Es bleibt zu hoffen, dass es im Sudan zu innenpolitischen personellen Veränderungen kommt, die eine konstruktive Lösung des Konflikts in Darfur ermöglichen.

Die FDP-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, weiterhin auf internationaler Ebene diplomatischen Druck auf die sudanesische Regierung auszuüben. Dazu muss die Bundesregierung auch bilaterale Kontakte zu anderen einflussreichen Staaten Afrikas wie etwa Südafrika und Ägypten nutzen. Daneben muss Deutschland gemeinsam mit den europäischen Verbündeten auch auf die politischen Anführer der zahlreichen und miteinander konkurrierenden Rebellengruppen Darfurs einwirken, damit auch diese sich zu einer baldigen Friedensvereinbarung bereiterklären.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Toncar

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