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Florian Ritter
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Frage von Gerhard K. •

Frage an Florian Ritter von Gerhard K. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Ritter,
als einf. Angestellter, Vater von drei studierenden Söhne, für deren Lebensunterhalt wir Eltern bis weit über die Kindergeldzahldauer (25) aufkommen müssen, da ihr Studium, die Wohnung in jobmäßig leergefegten Kleinstädten u. ihr ehrenamtliches soziales Engagement ( H. Seehofer: "wertvolle und unbezahlbare soziale Rendite") kaum Zuverdienst zulässt, entging ich 2009 durch die rechtzeitige Annahme einer Abfindung der Ausstellung und einer mittellosen Zukunft. Mit 53 Jahren hatte ich wieder eine Vollzeit-Arbeitsstelle gesucht und angetreten, ausschließlich durch den nicht üppigen Arbeitslohn für 8 Monate Arbeit entsteht nun eine Steuerlast in Höhe von 125 Prozent diese Brutto-Arbeitslohnes bzw. 150 Prozent des Netto-Arbeitslohnes. Hätte ich statt zu arbeiten ALG I bezogen, wäre ich nun um fast 50.000 Euro wohlhabender. (Die Zahlen stammen von den zuständigen Behörden.)

1.) Ist Ihnen diese Auswirkung der Steuergesetze bekannt?

2.) Halten Sie eine Steuergesetzgebung für gerecht und volkswirtschaftlich sinnvoll, die dazu führt, das die Aufnahme von sozialversicherungspflichtiger Arbeit völlig sinnlos wird, da der dafür bezahlte Lohn vielfach nicht einmal ausreicht die daraus entstehende Steuerschuld zu begleichen?
3.) Halten Sie bzw. die SPD es für ethisch und politisch vertretbar, dass derartig Betroffene sich besser dem sozialen Netz anvertrauen und Arbeitslosengeld beziehen, als zu arbeiten und Beiträge in die Sozialversicherung einzuzahlen?
4.) Halten Sie es für besser, dass Studenten sich nicht ehrenamtlich engagieren, sonderen statt dessen für Ihren Lebensunterhalt und Studiengebühren nebenbei arbeiten?

5.) Womit begründen Sie Ihre Auffassung?

6.) Falls Sie vertreten, es ist sozial und politisch nicht sinnvoll, dass Arbeit zu faktischer Lohn-Enteignung führt: Was werden Sie als politisch Verantwortlicher dagegen unternehmen.

Ihre Antwort interessiert sicher viele Betroffene, die mit Abfindung entlassen werden:
M. f. G.
gkr

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kreidenweis,

vielen Dank für Ihre Frage. Niemand verliert gerne seinen Arbeitsplatz und da ist es nur zu gut verständlich, dass man die Abfindung nimmt, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes droht. Jedoch ist auch eine Abfindung Einkommen und unterliegt deshalb zu Recht der Besteuerung. Wäre dies nicht der Fall, wäre es denen gegenüber ungerecht, die ausschliesslich von ihrem Gehalt leben.

Ein kurzes Beispiel: Person 1 verdient 60 000€ Brutto. Person 2 hat eine Abfindung von 50 000€ bekommen und verdient 10 000€ Brutto. Beide haben 60 000€ Einkommen. Es besteht meines Erachtens kein Grund warum Person 2 keine Steuer zahlen sollte, da der Eingangssteuersatz bei 10 000€ noch nicht greift, jedoch Person 1 rund 15 800€ zahlen muss. Ich gehe von Steuerklasse 1 aus, um es einfach zu halten.

Sie zahlen auch keine 125% Steuern auf Ihren Lohn, sondern sie zahlen Ihren individuellen Steuersatz auf Ihr gesamtes Steuerpflichtiges Einkommen. Dieses besteht aus dem Lohn und aus Ihrer Abfindung.

Abfindungen sind steuerrechtlich ein alles andere als einfaches Thema. Deshalb sollte man immer vor der Annahme einer Abfindung die möglichen Folgen mit einem Steuerberater, der Gewerkschaft oder einem Lohnsteuerhilfeverein besprechen. Für die meisten Steuerpflichtigen kommt z.B. eine Veranlagung des Abfindungsbetrags nach der sogenannten „Fünftel-Regelung“ in Frage. Dies reduziert die Steuerbelastung zum Teil dramatisch. Weitere Stichworte dazu wären: Verrechnung mit Verlusten oder Verwendung des Geldes für die Altersvorsorge (Direktversicherung).

Sie hätten die Abfindung im Übrigen immer versteuern müssen. Auch wenn Sie keine neue Arbeitsstelle gefunden hätten. Darüber hinaus führt die Annahme einer Abfindung in sehr vielen Fällen zu Sperrzeiten beim Bezug von ALG1. Diese können in Extremfällen bis zu 18 Monate dauern. Auf das nachfolgende ALG2 werden Abfindungen voll angerechnet. Damit ist auch klar, dass es nur einen Weg gibt, möglichst viel der Abfindung zu erhalten: baldmöglichst wieder eine Arbeitsstelle anzutreten.

Ich bin der Auffassung, dass alle Einkommensarten steuerpflichtig sein müssen. Für mich ist aber auch die Regel „die schwachen Schultern sollen weniger, die starken Schultern mehr tragen“ ein zentraler sozialdemokratischer Grundsatz. Die Möglichkeit der „Fünftel-Regelung“ halte ich daher für gut und wichtig. Die Alternative kann keiner wollen: Vollversteuerung nach Einkommensteuertabelle im Jahr des Bezugs.

Gleichzeitig stelle ich aber fest: wir benötigen einen steuerrechtlichen Mechanismus, der genau diese steuervergünstigenden Regelungen für Spitzenabfindungen - wie sie zum Teil in der Wirtschaft gezahlt werden - nicht mehr zulässt. Bei den Spitzenmanagern, die zum Teil mehrstellige Millionenbeträge (Wendelin Wiedeking / Porsche: 50 Mio Euro) als Abfindung erhalten, übernehmen die Konzerne und deren Spitzenanwälte selber die Suche nach den Schlupflöchern. Ich halte es daher für geboten, dass die Vergünstigungen für unverhältnismässig hohe Managerabfindungen schrittweise abgesenkt werden. Bis hin zu einer Vollversteuerung nach Einkommensteuertabelle.

In der SPD wird zur Zeit eine Diskussion über alternative Steuermodelle und die Reform des Steuersystems geführt. An dieser Diskussion beteilige ich mich und bringe hier meine Vorstellungen ein.
Das Hauptproblem des Steuerrechts ist - das wird in der gesamten SPD so gesehen - dass Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen ihren Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit nachkommen (wie auch Sie das tun) aber die Spitzenverdiener sich dem immer mehr entziehen.

Die Folgen sind unübersehbar: überall werden wichtige gesellschaftliche Aufgaben aus Kostengründen gestrichen oder es werden zusätzliche Gebühren erhoben. Dies geht besonders wieder auf Kosten der Familien, der normalen Arbeitnehmer, der kleinen Selbständigen und auch der Bezieher von Sozialtransfers.
Wie z.B. bei den von Ihnen angesprochenen Studiengebühren. Die Haltung der SPD ist klar: Studiengebühren sind und bleiben ungerecht. Sie sind von oben geführter Klassenkampf im Bildungssystem. Die Alternative kann aber nicht sein, dass wir diese und ähnliche Liberalisierungen einfach hinnehmen und dafür dann die Steuern senken, weil die Familien sonst die Belastungen nicht mehr tragen können. Die Alternative heisst: Abschaffung der Studiengebühren, Bildung muss Kostenfrei bleiben! Dafür müssen die Reichen in unserer Gesellschaft auch entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden. Konkret heißt das: Anhebung des Spitzensteuersatzes, Einführung einer Vermögensteuer, Anhebung der Erbschaftssteuer für besonders hohe Erbschaften.

Mit freundlichen Grüßen
Florian Ritter