Portrait von Florian Pronold
Florian Pronold
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Florian Pronold zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Lisa S. •

Frage an Florian Pronold von Lisa S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Pronold,

ich danke Ihnen für Ihre rasche
Antwort. Mir wäre es aber lieber gewesen, wenn Sie sich hierfür etwas mehr Zeit genommen hätten und auf meine Frage eingegangen wären, anstatt mit einem Textbaustein zu antworten, der mein Anliegen kaum betrifft.

Sicher gibt es einige Punkte, die für eine Einheitsschule sprechen mögen, aber wie Sie verhindern wollen, dass durch ein einheitliches Lerntempo sowohl begabte als auch die weniger begabten Schüler schlechtere Leistungen erzielen und am Ende weniger lernen, erörtern Sie in keiner Weise. Deshalb möchte ich Sie bitten, in einer erneuten Antwort auf diesen Punkt einzugehen! An welchem Lerntempo soll sich orientiert werden, an dem der begabten Schüler oder an dem der weniger begabten? Oder soll gar ein Tempo gefunden werden das irgendwo in der Mitte liegt und folglich die schlechteren Schüler überfordert und gleichzeitig die besseren Schüler unterfordert?

Wäre es nicht sinnvoller, statt eines kompletten Umbaus des Schulsystems, dass ja bisher durchaus respektable Ergebnisse und vor allem gut qualifizierte Absolventen hervorgebracht hat, nicht umsonst gilt das Bayerische System als führend in Deutschland, an Stellen nachzubessern, die Mängel aufweisen? Wäre es nicht zweckmäßiger, die Durchlässigkeit zwischen den Schulsystemen zu erhöhen, wie es in anderen Bundesländern (z.B. Thüringen und Sachsen), die obere Ränge in den Pisa-Studien besetzen, bereits vorgelebt wird? So kann weniger begabten Schülern mehr Zeit für Wiederholungen und Übungen eingeräumt werden und begabtere Schüler könnten im Lernstoff fortfahren. Wenn sich ein Kind erst etwas später zu einem „guten“ Schüler entwickelt, der nun besser mit dem Lernstoff zurecht kommt, könnte er zu einem späteren Zeitpunkt leichter an die höhere Schule wechseln. So könnte jeder seinen Leistungen entsprechend gefördert werden.

In der Hoffnung diesmal eine tatsächliche Antwort zu erhalten verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen
Lisa Stern

Portrait von Florian Pronold
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Stern,

vielen Dank für Ihre erneute Nachfrage.

Sie hätten mit Ihren Bedenken recht, wenn alle Schülerinnen und Schüler einfach in Schulen der heutigen Form gesteckt würden, mit dem einzigen Unterschied, dass es nur noch eine statt drei Schubladen gäbe. Die Gemeinschaftsschule ist nicht mit der Gesamtschule zu verwechseln, die im Wesentlichen nur eine andere Organisationsform darstellt. Bei der Gemeinschaftsschule geht es um mehr: Die BayernSPD möchte mit diesem Konzept Schule an sich ganz neu denken.

Nach dem heutigen Schulsystem ist es ja keinesfalls so, dass jeder nach seinen individuellen Fähigkeiten gefördert wird, sondern jeder wird nach einem standardmäßigen Mittelmaßunterricht beschult. Dieser geht kaum auf einen einzelnen Schüler ein. Das wollen wir ändern. Unser Leitgedanke ist es, Schule zu einem Ort zu machen, an dem neben dem Erlernen von Fachwissen auch das „Lernen gelernt wird“.
In Ihrem Schreiben räumen sie der Frage, welches Tempo im Unterricht vorherrschen soll, eine zentrale Stellung ein. Grundlegendes Prinzip der Gemeinschaftsschule ist die individuelle Förderung eines jeden einzelnen. Dies bedeutet, dass jede Schülerin und jeder Schüler sich sein eigenes Lerntempo vorgibt. Um dies zu gewährleisten, besteht ein Teil der Unterrichtszeit aus sogenannter Freiarbeit. In dieser Zeit erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler eigene Themen allein oder in Kleingruppen selbstständig. Hierbei kommt das Prinzip zum Tragen, Schülerinnen und Schüler in heterogenen Lerngruppen zu unterrichten. Dadurch können schwächere von stärkeren Schülern bei ihren Aufgaben unterstützt werden, wovon letztendlich beide profitieren. Schwächere Schüler erhalten die Möglichkeit sich den Stoff von einem anderen Mitschüler erklären zu lassen. Dies ist oft hilfreicher als eine wiederholte Erklärung des Lehrers. Der stärkere Schüler hingegen bekommt die Möglichkeit den Stoff zu wiederholen und zu festigen (Prinzip „Lernen durch Lehren“). Dem Lehrer kommt in einer solchen Lernsituation die Rolle eines Mentors zu, der die Schülerinnen und Schüler begleitet, bei Fragen zur Verfügung steht, Anregungen geben kann, über den Fortschritt wacht und ggf. „Kurskorrekturen“ vornimmt. Die Lehrer sind in diesem Konzept also primär nicht mehr Wissensvermittler, sondern leiten die Schülerinnen und Schüler bei der Gestaltung ihres eigenen Lernprozesses an.

In Ihrem Schreiben führen Sie an, dass das bayerische Schulsystem „bisher durchaus respektable Ergebnisse“ vorweise. Leider ist es in Bayern so, dass ca. 40% der Schülerinnen und Schüler die das G8 besucht haben, dieses nicht mit dem Abitur beenden. 30% aller Schülerinnen und Schüler besuchen im dreigliedrigen Schulsystem eine Schule unter oder über ihrem Leistungsniveau, d.h. ein Drittel aller Schüler ist demnach im jetzigen System über- oder unterfordert. Im Jahr 2008 sind in Bayern von der Grundschule 31,2% der Schüler in eine Hauptschule, 29,4% in eine Realschule und 31,4% in ein Gymnasium übergetreten. Die Quote der Abiturienten im Vergleich zur gleichaltrigen Bevölkerung betrug 2008 lediglich 21,8%. In Anbetracht der Zielvorgabe, dass 40% eines Jahrgangs die Schule mit dem Abitur verlassen sollen, um den Wissensstandort Deutschland zu sichern, ist dies für Bayern eine katastrophal schlechte Zahl. Für die Zukunft sind hier keine signifikanten Verbesserungen zu erwarten, wie Sie sich mit den vorgenannten Zahlen leicht ausrechnen können.
Ihr Vorschlag, lediglich die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schularten zu verbessern, halte ich nicht für zielführend. Es wird für viele Schülerinnen und Schüler schwer sein, weiterhin Erfolge zu erzielen, da sich der Stoff von Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen fundamental unterscheidet und somit große Lücken gefüllt werden müssten. Außerdem fördert die Mehrgliedrigkeit des Schulsystems eine Mentalität des Abschiebens von „Problemfällen“ nach unten, was den Betroffenen in der Regel nichts bringt. Darüberhinaus werden auf diese Weise die Anforderungen an eine Schule der Zukunft nicht erfüllt. Das weltweite Wissen verdoppelt sich alle 20 Jahre, d.h. es wird in Zukunft immer wichtiger, in der Lage zu sein, sich neues Wissen anzueignen. Diese Fähigkeit wird im derzeitigen bayerischen Schulsystem unserer Auffassung nach nur eingeschränkt vermittelt.

Ich bitte um Verständnis, dass ich mich bei Abgeordnetenwatch aus Platzgründen (und um die Lesbarkeit der Antworten zu erhalten) auf die wesentlichen Argumente beschränke. Sie finden weitergehende Informationen zur Gemeinschaftsschule in dem bereits in meiner ersten Antwort erwähnten Beschluss der BayernSPD: http://bayernspd.de/workspace/uploads/standards/BYSPD_Leitantrag_LaVo_Bildungsparteitag.pdf . Wie Gemeinschaftsschule in der Praxis funktioniert, können Sie sich z.B. auf der Homepage der Gemeinschaftsschule Launenburg ( http://www.gemeinschaftsschule-lauenburg.de ) ansehen.

Mit freundlichen Grüßen,

Florian Pronold, MdB