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Elisabeth Winkelmeier-Becker
CDU
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Frage von Andreas B. •

Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Andreas B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,

Oft habe ich schon gelesen, dass die Einführung eines generellen Mindestlohnes von ihrer Partei für grundfalsch gehalten wird. Liegt ein Mindestlohn unter den marktüblichen Löhnen, bleibt er wirkungslos. Liegt er darüber, so wird er Arbeitsplätze vernichten und die Schaffung neuer Arbeitsplätze erschweren. Ich halte diese Ansicht nicht unbedingt für schlecht, auch wenn ich mich frage ob es denn besser für den Staat ist, dass er bei vielen Menschen das Gehalt mit Sozialhilfe aufbessern muss und damit quasi Unternehmen subventioniert. Meine Frage ist nun, aus aktuellem Anlass der Großrazzia in Friseursalons im Raum Köln, wo Studenlöhne von 1,50€ aufgedeckt wurden, warum nicht ein Mindestlohn knapp unter den Tariflöhnen festgelegt werden könnte. Dieser würde der Wirtschaft nicht schaden und weiteres Lohndumping verhindern. Es wird ja oft gesagt, dass die Höhe des Hartz4-Satzes schon einen inoffiziellen Mindestlohn darstellt, weil niemand für weniger Geld arbeiten würde als er ohne Arbeit vom Arbeitsamt bekommen würde, aber scheinbar ist dem ja nicht so, sonst käme es nicht zu solchen vorgefundenen Löhnen von 1,50€. Was spräche also gegen einen sehr geringen Mindestlohn von vielleicht 5€/h?

Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Bachmann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bachmann,

Sie beschreiben die Problematik in Zusammenhang mit der Einführung von Mindestlöhnen völlig zutreffend: ein einheitlicher Mindestlohn wäre in vielen Fällen gemessen an der Wirtschaftlichkeit der Arbeitstätigkeit von gering qualifizierter Tätigkeit zu hoch, so dass solche Arbeitsplätze wegfielen; in anderen Fällen wäre er zu niedrig, um eine qualifiziertere Tätigkeit angemessen zu entlohnen und könnte eventuell sogar einen unerwünschten Trend nach unten auslösen. Richtig ist aber auch, dass es immer wieder Fälle gibt, in denen empörend niedrige und sittenwidrige Löhne gezahlt werden, während zugleich der Arbeitgeber erhebliche Gewinne aus dieser Tätigkeit zieht. Werden dann auch noch Sozialleistungen erforderlich, um den Lebensunterhalt des Arbeitnehmers zu sichern, wird der Gewinn des Arbeitgebers letztlich auf Kosten der Allgemeinheit finanziert. Ganz klar ist hier das Ziel, alle Arbeitnehmer vor Lohndumping zu schützen und eine angemessene Bezahlung verbindlich zu machen.

Sie schlagen nun vor, einen Mindestlohn von ca. 5 € pro Stunde vorzuschreiben, um Löhne von 1,50 € zu vermeiden, wie sie in Köln bei Friseuren aufgedeckt wurden. Meines Erachtens bietet jedoch das Verbot sittenwidriger Löhne und das System von Mindestlöhnen, die sich aus dem Arbeitnehmerentsendegesetz, aus der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tariflöhnen und künftig aus dem Mindestarbeitsbedingungengesetz ergeben, einen effektiveren und zielgenaueren Rahmen, um dort mit staatlichen Vorgaben zu helfen, wo eine gerechte Lohnfindung zwischen den Tarifparteien bzw. einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gestört ist. Dabei gehen wir von dem Grundsatz der Tarifautonomie aus, nach dem die Lohnfindung grundsätzlich Sache der Tarifparteien ist. Sie können nämlich am besten beurteilen und aushandeln, welcher Lohn gemessen an der allgemeinen Preisentwicklung, der Wertschöpfung und der Gewinnsituation der Unternehmen und der sonstigen branchenspezifischen und regionalen Bedingungen angemessen für die Arbeitnehmer, aber auch verkraftbar für die Unternehmen ist. Starke Gewerkschaften sind hier ganz wichtig, um mit den Arbeitgebern auf Augenhöhe fair verhandeln, notfalls aber auch den nötigen Nachdruck entfalten zu können. Wo starke Gewerkschaften am Verhandlungstisch sitzen, sind ganz überwiegend Löhne im Bereich der diskutierten Mindestlöhne kein Thema.

Das Problem ist nun, dass nicht in allen Branchen solch starke Arbeitnehmervertreter mit der dazugehörigen starken Organisation bestehen. Wie hilft dann nach der geltenden Gesetzeslage der Staat? Im Fall der Friseure in Nordrhein-Westfalen ist das Problem zwischenzeitlich durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Friseurtarifs durch Minister Laumann gelöst. Danach liegt der niedrigste Stundenlohn für ausgebildete Friseure nun bei 7,60 €. Dieser Betrag gilt seither auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber. Aufgrund der ursprünglichen Festsetzung dieses Betrages durch die Tarifparteien kann davon ausgegangen werden, dass dieser Lohn sich im Bereich des angemessenen und gerechten Lohns befindet, der nicht zu einem Wegfall der Arbeitsplätze führt. Die von Ihnen vorgeschlagenen 5 € wären hier anscheinend zu niedrig gewesen.

Im Übrigen gilt: Nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz bestehen bereits Mindestlöhne (ganz überwiegend oberhalb von 7,50€) in 8 Branchen mit zusammen über 3 Mio Arbeitnehmern. Diese Regelungsmöglichkeit besteht für Branchen, in denen über 50 % Tarifbindung besteht. Für Branchen mit geringerer Tarifbindung und ohne repräsentative Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände besteht nach dem novellierten Mindestarbeitsbedingungengesetz künftig ebenfalls die Möglichkeit, per Rechtsverordnung Mindestlöhne festzusetzen. Dazu werden ein Hauptausschuss (Vorsitzender Klaus von Dohnanyi) sowie Fachausschüsse beim Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Vertretern von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen gebildet, die die Branchen ausmachen sollen, in denen Handlungsbedarf besteht. Diese Ausweitungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes und des Mindestarbeitsbedingungengesetzes sind aus meiner Sicht ein Erfolg der Großen Koalition. Beides zusammen schafft die Voraussetzung für zielgenaue branchenspezifische Lösungen, die dort helfen, wo soziale Verwerfungen bestehen und Mindestlöhne in einer individuell bestimmten Höhe sinnvoll sind, die aber die negativen Auswirkungen allzu pauschal festgesetzter Beträge vermeiden.

Außerdem soll das bereits nach § 138 BGB bestehende allgemeine Verbot sittenwidriger Verträge, zu dem sich eine nicht ganz einheitliche Rechtsprechung in Bezug auf Dumpinglöhne gebildet hat (zumeist wird Sittenwidrigkeit bei Unterschreiten von 2/3 des üblichen Lohns angenommen, mit der Folge dass anstelle des zu niedrigen dieser übliche Lohn gezahlt werden muss), konkretisiert werden; dies wird auch dazu beitragen, dass sich Arbeitnehmer nicht mehr auf extrem niedrige Löhne einlassen werden und verbessert ihre Verhandlungsposition bei der Vereinbarung des angemessenen Lohns.

Zum Mindestlohn ist im neuen Koalitionsvertrag folgende Passage aufgenommen: „Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn werden bis Oktober 2011 evaluiert. Dabei kommt es uns darauf an, diese daraufhin zu überprüfen, ob sie Arbeitsplätze gefährden oder neuen Beschäftigungsverhältnissen entgegenstehen. Zugleich gilt es zu prüfen, ob sie sowohl den erforderlichen Schutz der Arbeitnehmer als auch die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Branchen gewährleisten. Das Ergebnis dieser Evaluierung soll als Grundlage für die Entscheidung dienen, ob die geltenden Mindestlohnregelungen Bestand haben oder aufgehoben werden sollten. Die anhängigen Bundesgerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Postmindestlohn werden abgewartet.“

Insgesamt sind damit wesentliche Voraussetzungen für eine gerechtere Lohnfindung auch im Niedriglohnbereich getroffen, die helfen, Missstände wie bei den Friseuren in Köln in Zukunft zu vermeiden.

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Winkelmeier-Becker

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