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Dietrich Wersich
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Frage von Claudia W. •

Frage an Dietrich Wersich von Claudia W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ich bitte um Ihre Stellungnahme zum Thema ehrenamtliche Tätigkeit als Wahlbezirksleitung bei der Bürgerschaftswahl 2008 und 2011:
Ich bin Wahlbezirksleitung in einem Wahllokal in Hamburg-Mitte. Bei der Bürgerschaftswahl wurde allen WahlhelferInnen eine relativ hohe Aufwandsentschädigung pauschal von 400,-- € steuerabzugsfrei von der Wahlgeschäftsstelle überwiesen. Darüber hinaus erhielten die Wahlbezirksleitungen je 80,-- € Mehraufwandsentschädigung für die ausgelegten Kosten für Handy, Porto, Fahrgeld usw.Das Arbeitsamt bewertet diese Aufwandsentschädigung (AE) von ALG II Empfängern als Einkommen und hat die Abführung der Hälfte des Regelsatzes an das Arbeitsamt verlangt, das habe ich jedes Mal umgehend überwiesen.
Außerdem wurden mir die 80,-- € Mehraufwandsentschädigung angerechnet vom Arbeitsamt. Die Wahlgeschäftsstelle hatte mir die von mir ausgelegten Kosten überwiesen und ich mußte die 80,-- € an das Arbeitsamt zahlen. D. h. ich trage noch anteilig Kosten der Wahlorganisation. Nach der Büwahl 2008 habe ich vor dem Sozialgericht insofern Recht bekommen, als mir die Kosten zurückerstattet wurden. Ich wollte bürokratischen Aufwand einsparen, muss aber die Rückzahlung meiner Auslagen erneut einklagen!
1. Warum kann die Aufwandsentschädigung für die einen WahlhelferInnen als ehrenamtliche Aufwandsentschädigung steuerabzugsfrei und für ALG II EmpfängerInnen als Einkommen bewertet werden?
2. Warum darf das Arbeitsamt die mir erstatteten Auslagen einfach einbehalten, so daß ich gezwungen bin sie einzuklagen?
3. Warum darf der Bund, in dem Fall das Arbeitsamt, von dem hamburgischen Haushalts-posten Wahlorganisation profitieren? Eine m.E. merkwürdige Umverteilung.
Ich betrachte das als aktive Behinderung meiner ehrenamtlichen Tätigkeit und halte den ganzen Vorgang für ein intransparentes und undemokratisches Vorgehen und Einmischung des Arbeitsamtes in meine ehrenamtliche Tätigkeit als Wahlhelferin/Bezirksleitung.

Claudia Wiebe

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Wiebe,

vielen Dank für Ihre Fragen an mich.
Die von Ihnen aufgeworfenen Fragen betreffen Regelungen, die ganz überwiegend nicht im Bereich der Hamburger Bürgerschaft liegen. Ich habe dennoch versucht dazu Auskünfte einzuholen. Kompetenter kann Ihnen die Fragen wahrscheinlich die Arbeitsagentur, das Finanzamt oder die Innenbehörde beantworten.
Die recherchierten Angaben habe ich jeweils hinter Ihre Fragen eingefügt.

Mit freundlichen Grüßen

Dietrich Wersich
Fraktionsvorsitzender
CDU-Bürgerschaftsfraktion

Ich bitte um Ihre Stellungnahme zum Thema ehrenamtliche Tätigkeit als Wahlbezirksleitung bei der Bürgerschaftswahl 2008 und 2011: Ich bin Wahlbezirksleitung in einem Wahllokal in Hamburg-Mitte. Bei der Bürgerschaftswahl wurde allen WahlhelferInnen eine relativ hohe Aufwandsentschädigung pauschal von 400,-- € steuerabzugsfrei von der Wahlgeschäftsstelle überwiesen. Darüber hinaus erhielten die Wahlbezirksleitungen je 80,-- € Mehraufwandsentschädigung für die ausgelegten Kosten für Handy, Porto, Fahrgeld usw.Das Arbeitsamt bewertet diese Aufwandsentschädigung (AE) von ALG II Empfängern als Einkommen und hat die Abführung der Hälfte des Regelsatzes an das Arbeitsamt verlangt, das habe ich jedes Mal umgehend überwiesen. Außerdem wurden mir die 80,-- € Mehraufwandsentschädigung angerechnet vom Arbeitsamt. Die Wahlgeschäftsstelle hatte mir die von mir ausgelegten Kosten überwiesen und ich mußte die 80,-- € an das Arbeitsamt zahlen. D. h. ich trage noch anteilig Kosten der Wahlorganisation. Nach der Büwahl 2008 habe ich vor dem Sozialgericht insofern Recht bekommen, als mir die Kosten zurückerstattet wurden. Ich wollte bürokratischen Aufwand einsparen, muss aber die Rückzahlung meiner Auslagen erneut einklagen!

1. Warum kann die Aufwandsentschädigung für die einen WahlhelferInnen als ehrenamtliche Aufwandsentschädigung steuerabzugsfrei und für ALG II EmpfängerInnen als Einkommen bewertet werden?

Antwort:
Auch wenn die Aufwandsentschädigungen steuerfrei sind, sind sie offenbar trotzdem Einkommen und werden als solches zumindest teilweise bei der Frage der Hilfebedürftigkeit zugrunde gelegt. Das bedeutet, dass die Gemeinschaft aller Steuerzahler für Bedürftige nur insoweit finanziell einspringt, wie eigene Einnahmen nicht vorliegen bzw. ausreichen.

Rechtlicher Hintergrund: Das vom Bundestag beschlossene Einkommensteuergesetz (EStG) und das Zweite Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) sehen dies so vor. Die sogenannten Erfrischungsgelder sind aus der Landeskasse gezahlte Bezüge, die in der Wahlordnung für die Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft und zu den Bezirksversammlungen vom Senat als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als solche im Haushaltsplan ausgewiesen werden. Gemäß § 3 Nr. 12 S. 1 EStG sind diese steuerfrei. Bei Empfängern von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) wird die Aufwandsentschädigung gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II mit den Absetzbeträgen gemäß § 11b Abs. 2 SGB II als Einkommen berücksichtigt.
§ 11 Abs. 1 S. 1 SGB II lautet:
„Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge […].“
§ 11b Abs. 2 S. 3 SGB II lautet:
„Erhält eine leistungsberechtigte Person mindestens aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nummer 12 […] des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, gelten die Sätze 1 und 2 mit den Maßgaben, dass jeweils an die Stelle des Betrages von 100 Euro monatlich der Betrag von 175 Euro monatlich und an die Stelle des Betrages von 400 Euro der Betrag von 175 Euro tritt.“
§ 11b Abs. 2 S. 1, 2 SGB II lautet sodann:
„Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist anstelle der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 [vom Einkommen abzusetzende Beiträge und Ausgaben] ein Betrag von insgesamt 175 Euro monatlich abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 175 Euro, gilt Satz 1 nicht, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweist, dass die Summe der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 den Betrag von 175 Euro übersteigt.“
Das (so bereinigte) Einkommen vermindert die Hilfebedürftigkeit und ist deshalb für die Berechnung des Hartz-IV-Anspruchs maßgeblich.

2. Warum darf das Arbeitsamt die mir erstatteten Auslagen einfach einbehalten, so daß ich gezwungen bin sie einzuklagen?

Dies kann ich ohne Kenntnis des Einzelfalls nicht sicher beurteilen. Es handelt sich vermutlich nicht um ein Einbehalten, sondern um eine Rückforderung zu Unrecht gewährter Leistungen aufgrund vorhandenen Einkommens. Bei der Berechnung des Einkommens stützt sich das Arbeitsamt auf bestehende Rechtsgrundlagen. Inwieweit die Entscheidung des Gerichts anlässlich der Wahl im Jahre 2008 das Verwaltungshandeln anlässlich der Wahl im Jahre 2011 bindet, lässt sich anhand der gemachten Angaben nicht beurteilen.

3. Warum darf der Bund, in dem Fall das Arbeitsamt, von dem hamburgischen Haushaltsposten Wahlorganisation profitieren? Eine m.E. merkwürdige Umverteilung. Ich betrachte das als aktive Behinderung meiner ehrenamtlichen Tätigkeit und halte den ganzen Vorgang für ein intransparentes und undemokratisches Vorgehen und Einmischung des Arbeitsamtes in meine ehrenamtliche Tätigkeit als Wahlhelferin/Bezirksleitung.

Sehr geehrte Frau Wiebe, nicht "der Bund" profitiert, sondern die Gemeinschaft aller Steuerzahler wird in dem Maße entlastet, wie es Ihnen gelingt für Ihren eigenen Unterhalt selbst aufzukommen. Dazu werden natürlich auch einmalige oder vorübergehende Zahlungen zumindest teilweise angerechnet. Im Übrigen handelt es sich zwar um eine ehrenamtliche, nicht aber um eine unentgeltliche Aufgabe. Die von Ihnen genannten 400 € für die Aufgabe sind ja - wie sie selber schreiben - nicht wenig.