Portrait von Daniela Kolbe
Daniela Kolbe
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Daniela Kolbe zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Andreas B. •

Frage an Daniela Kolbe von Andreas B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Kolbe,

Artikel 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 GG garantiert das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das Existenzminimum umfasst die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß die Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 9.2.2010, Abs.-Nr. 135).

Der gesetzliche Leistungsanspruch muss stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers decken (BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 9.2.2010, Abs.-Nr. 137).

Bereits die erste in § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II festgelegte Sanktionsstufe, bei der durch die Verwaltung kein Ausgleich vorgenommen werden kann, beträgt 30%. Erst bei einer Unterschreitung von mehr als 30% kann der Sanktionierte auf Antrag Sachleistungen erhalten. Die Entscheidung über die Gewährung bzw. Nichtgewährung liegt dann noch im Ermessen der Verwaltung. Der Wert von Sachleistungen beträgt bei einer 100% Sanktion z. Z. maximal 196 Euro (BA-Hinweise zu § 31 ff). Dies entspricht nur 50 % des Regelbedarfs nach § 20 SGB II. Mit Sachleistungen können keine Strom- und Telefonkosten bezahlt werden. Hier häufen sich dann Schulden an. Ebenfalls können mit Sachleistungen keine Medikamente bezahlt werden.

Sanktionen nach dem SGB II führen dazu, dass das vom Gesetzgeber festgelegte Existenzminimum für den Zeitraum der Sanktion unterschritten wird. Artikel 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 GG verlangt, dass das Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein muss (BVerfG, 1 BvL 10/10 vom 18.7.2012, Abs.-Nr. 120) und zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen ist (BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 9.2.2010, Abs.-Nr. 140).

Wie können Sie immer noch eine Vereinbarkeit für Sanktionen finden?

Portrait von Daniela Kolbe
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Böhme,

vielen Dank für ihre Nachricht vom 9. Juli 2014.

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2010 wurde die damals bestehende Regelung für die Berechnung der Hartz IV-Sätze für verfassungswidrig erklärt. Grundsätzlich stufte das Gericht jedoch die in den Ausgangsverfahren geltenden Regelleistungen (345 Euro, 311 Euro und 207 Euro) zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums "nicht als evident unzureichend" ein. Zudem machte das Gericht deutlich, dass der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums besonders weit sei. Im Übrigen lässt sich aus dem Urteil nicht herleiten, dass Sanktionen verfassungswidrig sind. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in diesem Urteil nicht mit dieser Frage beschäftigt.

Sanktionen sind aus meiner Sicht grundsätzlich notwendig. Ich lehne die radikale Abschaffung aller Sanktionen ab. Die Tatsache, dass Leistungen des Staates an bestimmte Pflichten gebunden sind, stößt auch bei den Betroffenen auf Zustimmung. Der überwiegende Teil der Betroffenen weiß, warum eine Sanktion gegen ihn oder sie ergangen ist und 80 Prozent der Betroffenen haben zudem auch die Rechtsschutzbelehrung verstanden. Sie wissen also, welche Folgen ihr Handeln hat. Es gibt somit ein grundsätzliches Verständnis der Betroffenen dafür, dass es Sanktionen gibt und warum es sie gibt.

Im Übrigen lehne ich die verschärften Sanktion für unter-25-Jährige ab. Es gibt aus meiner Sicht keine wirklich guten Gründe, warum diese Personengruppe härter bestraft werden sollten als Ältere. Ich finde auch, dass diese Sanktionen als erzieherische Maßnahme ein ganzes Stück überbewertet werden. Ich bezweifle, dass möglichst scharfe Sanktionen dazu führen, dass sich bei jungen Erwachsenen Verhaltensänderungen einstellen oder dadurch gar eine Nachsozialisation möglich wird. Nach meinen Informationen gibt es inzwischen auch konkrete Planungen diese Sanktionen abzuschaffen und Jugendliche zukünftig wie Erwachsene zu behandeln.

Eine interessante Studie zu den Auswirkungen der Sanktionen finden sie unter
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-1514.pdf .

Mit freundlichen Grüßen

Daniela Kolbe